Mittwoch, 25. November 2009

“We wouldn't want to spoil ourselves, now would we?”

Abandoned:

Ich muss gestehen: Mich hat der Tod Shannons von allen Toden in der Geschichte von „Lost“ bis heute immer noch am meisten getroffen. Gar nicht so sehr, weil sie einer meiner Lieblingscharaktere gewesen wäre – Daniel und John mochte ich etwa lieber als Shannon – sondern vor allem, wegen der Art und Weise wie sie starb. Für gewöhnlich hatte es einen tieferen Sinn, wenn wir uns von einem unserer Hauptcharaktere verabschieden mussten. So sind Boone, Charlie, John, Eko, Michael, Daniel, Juliet oder Jacob ja nicht umsonst gestorben. Shannon hat auch nicht wie Ethan oder Keamy irgendetwas getan, was ihren Tod rechtfertigen könnte. Sie lief durch den Wald und wurde über den Haufen geschossen. Einfach so! Scheinbar willkürlich! Ferner hatte man sie gerade erst liebgewonnen, als sie starb. Durch die Flashbacks in dieser Episode wird einem klar, dass sie die verwöhnte Zicke nur spielt, um ihre eigene Unsicherheit und Verzweiflung zu kaschieren. Sie möchte andere Menschen auf Abstand halten, weil sie den Schmerz nicht erträgt, ein weiteres Mal hintergangen zu werden, wie es ihr in der Vergangenheit schon so oft passierte.

Shannons Vergangenheit! Ein gutes Stichwort für die Flashbacks möchte ich meinen. Also starten wir heute doch zur Abwechslung mal wieder mit den Rückblenden. Ich muss gestehen rein optisch gehört Ballett für mich zu den fünf dümmlichsten Sportarten (im weitesten Sinne), die der Mensch bislang erfunden hat – zusammen mit Gehen, Nordic Walking (im Prinzip das gleiche, nur dass man außerdem einen Weg gefunden hat Ski-Langlauf-Stöcke auch im Sommer zu verkaufen), Extrembügeln (nein, das ist kein Scherz, das gibt es tatsächlich) und Synchronschwimmen. Nichtsdestotrotz passt dieser Tanz zu Shannon und sie wird einem doch prompt sympathischer als sie dem kleinen Mädchen versichert, ihr Daddy habe bestimmt zugeguckt, obwohl der gerade versucht Shannons Kollegin abzuschleppen. Dann kommt der Anruf und wir sehen Shannon und ihre Hexe von Stiefmutter im St. Sebastian. Huch, ach guck mal einer an, wer da durchs Bild läuft? „Walt?!“ Nein, Herr Gott! Wenn das mal nicht der Herr Dr. Shephard ist. Shannon, guck ihn dir gut an: der hat deinen Vater NICHT gerettet... deshalb ist er jetzt auch tot. Was für ein unsensibles und gefühlkaltes Biest Sabrina Carlyle ist, beweist sie uns auch hier, indem sie ausdrücklich darauf hinweist, dass Shannon nur ihre Stieftochter ist, obwohl sie damit Adam als einziger Mensch näher gestanden hat als Sabrina, schließlich ist sie seine leibliche Tochter.

Auf Adams Beerdigung gibt es für uns dann ein Wiedersehen mit einem Charakter, der mittlerweile selbst schon unter der Erde liegt: Boone (vermutlich dachten einige, jetzt kommt mal wieder „Walt?!“, aber wir wollen den Runninggag nicht überreizen). Boone und Shannon versuchen sich dann in Shannons Zimmer aus den Teetassen ihres Puppenservices zu besaufen – das dürfte eine zeitaufwendige Angelegenheit werden, denn in diese fingerhutgroßen Tässchen passt ja nicht mal so viel wie in ein normales Schnapsglas. Wobei ich mich auch frage, warum Boone was zum Saufen in der Tasche hat bzw. das zu einer Beerdigung mitbringt? Wenn es bei Leichenschmaus etwas außer Schnittchen in rauen Mengen gibt, sind das doch Alkohol. Warum also hat Boone einen Flachmann mit Scotch dabei? Die einzige logische Erklärung wäre, dass er ihn nicht für die Beerdigung eingesteckt hat, sondern sowieso damit außer Haus geht. Wenn dem so wäre, sollten wir nun nicht nur für Christian, Jack und Charles, sondern auch für Boone die Alkoholismusglocke läuten. Was ich auch komisch finde ist, dass Shannon auf die Frage nach dem Poster damit argumentiert, sie sei nun 18, während Boone gerade Scotch in eine Spielzeugtasse neben einem Puppenhaus gießt. Entweder verbannt man alles aus Kindertagen aus seinem Zimmer oder man steht zu seinen infantilen Anwandlungen. Was eigentlich ja auch nicht schlimm ist, oder? Wie Locke bewahre ich mir das sogar, man wird sonst zu verbissen. Etwas nicht mehr zu besitzen oder bestimmte Dinge nicht mehr zu tun, nur weil es nicht altersgemäß erscheint, bedeutet doch letztlich nur eine Unterwerfung unter gesellschaftliche Normen – letztlich geht unsere Gesellschaft an ihren eigenen Normvorstellungen langsam aber sicher zu Bruch. Man tötet den Individualismus stetig weiter ab. Bei Shannon könnte man diesen Widerspruch aber ebenso symbolisch deutet wie den Scotch in der Puppentasse selbst: sie hängt zwischen Erwachsenendasein und Kindheit fest. Shannon ist in gewisser Weise eine ewig Pubertierende, die zum einen ernstgenommen werden will und zu anderen Halt sucht. Sie will als erwachsen wahrgenommen werden, obwohl sie sich manchmal mehr wie ein Kind fühlt und auch gibt.

Über Boones Mutter sagt sie in dieser Szene alles, was wir über sie wissen müssen: „She hates me.“ („Sie hasst mich“). Wie sehr ahnt Shannon zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sabrina wird Shannons gesamte Zukunft mutwillig zerstören. Nach sechs Monaten des Wartens erhält Shannon die Zusage für die Martha Graham Dance Company. Sie selbst sagt, dass es eine Chance von 3000:1 wäre, an dieser renommierten Akademie angenommen zu werden. Es ist etwas völlig normales, dass Eltern die Ausbildung ihrer Kinder (mit)finanzieren, eben damit sie in der Lage sind später auf eigenen Füßen zu stehen. Umso schwachsinniger ist Sabrinas Argumentation, Adam habe gewollt, dass Shannon lerne für sich selbst zu sorgen. Es ist mehr als offensichtlich, dass Sabrina die Naivität ihres verstorbenen Gatten ausnutzt, um Shannon zu demütigen, denn Adam dürfte es für selbstverständlich erachtet haben, dass Sabrina das gemeinsame Vermögen auch nutzt, um Shannon Ausbildung zu bezahlen. Hätte Adam nur in Erwägung gezogen, dass Sabrina Shannon jegliche Unterstützung verweigern würde, hätte er mit Sicherheit Shannon einen Großteil des Vermögens vererbt, doch Liebe macht ja bekanntlich blind. Es geht aber nicht nur darum, Shannon die finanzielle Unterstützung zu versagen, sondern vor allem darum, dass Sabrina Shannon ihre Nutzlosigkeit aufzeigen will. Sie will das Shannon sich wertlos fühlt – „The only thing I've ever seen you do 16 hours a day straight is sleep.“ („Das einzige, das ich dich jemals 16 Stunden am Tag habe machen sehen, ist Schlafen.“) Als Shannon versichert: „I really want this, Sabrina. I can do this.“ („Ich möchte das unbedingt, Sabrina. Ich kann das.“), erwidert Sabrina heuchlerisch: „I'm sorry, Shannon. You're on your own.“ („“Es tut mir leid Shannon. Du bist auf die allein gestellt.“)

Wenn man oft genug gesagt bekommt, man müsse sich selbst hassen, weil man nichts darstelle und nutzlos wäre, glaubt man es irgendwann auch. Deshalb verweigert sie später auch Boones Hilfe, denn sie will einerseits zeigen, dass sie es alleine schafft, andererseits will sie auch Unterstützung, jedoch nur die, von der sie der Ansicht ist, dass sie ihr zustünde. Auch hier zeigt sich wieder wie sehr sie zwischen Kindheit und Erwachsenendasein hängt – Ja, Nein, Doch, Vielleicht, wenn Mittwoch die Sonne scheint... . Shannon will ihr Geld, nicht Boones. Andererseits hatte sie gehofft bei Boone wohnen zu können. Schon ein komischer Zufall, dass Boone von seiner Mutter mit einem Job-Angebot (soviel zum Thema: Kinder sollen selbst klar kommen) aus New York genau dann weggeholt wird, wenn Shannon ihn dort gebraucht hätte.

Wenn wir aus diesem Flashback in die Gegenwart auf der Insel zurückkehren, lehnt Shannon Sayids Hilfe ebenso ab wie Boones. Sie schlägt die Hilfe aus, weil sie keine Hilfe will, nur weil jemand nicht an sie glaubt. Aber gehen wir zunächst einmal ein paar Stunden zurück: Sayid führt Shannon zu einem Zelt, das mich persönlich sehr an Rousseaus Lager in „Dead is dead“/“Tot ist tot“ erinnert.

Sayid trägt eine Waffe bei sich und als Shannon ihn fragt, ob er die Pistole die ganze Zeit bei sich tragen müsse, erwidert Sayid: „I only carry it because I have someone to protect.“ („Ich trage sie nur, weil ich jemand zu beschützen habe.“) Komisch, Sayid, denn als Charlie von dir eine Waffe haben wollte, um Claire zu beschützen, galt das Argument nicht. Ach, entschuldige, mir fällt gerade ein, dass Charlie, als er das letzte Mal eine Waffe hatte, ja wen erschossen hat, während du, Sayid, die Waffe ja nur trägst und nie benutzt. Du würdest ja niemals einen Menschen umbringen... was für ein alberner Gedanke. Außerdem muss Shannon auch viel mehr beschützt werden, weil sie ja bereits einmal entführt wurde und ihr Kind auch... ach, nein, stimmt nicht, das war Claire. Ich bin heue aber auch durcheinander. Aber mal eine letzte Frage an Sayid: Hat die Waffe dir geholfen, Shannon zu beschützen? Oder war es nicht vielmehr euer nicht sehr umsichtiger Umgang mit diesen Dingern, der sie getötet hat? Und wieso hat Jack die Waffe von Sayid anders als von Sawyer damals eigentlich nicht zurückgefordert und wieder in seinen netten Koffer geschlossen? Muss wohl wirklich an Sayids einwandfreiem Leumund liegen.

Sayid taugt aber auch zum Wasserträger, wenn Shannon statt der Zigarette danach lieber das Wasser danach möchte. Kaum hat Sayid das Zelt verlassen, erlischt das Feuer und Walt erscheint. Jetzt könnte man einfach sagen, dass die erlischende Flamme ein simpler dramaturgischer Kniff ist, der schon so oft gebraucht wurde, dass man es mittlerweile fast als Naturgesetz empfindet, dass stets, ehe etwas merkwürdiges passiert, zuerst sämtliche Lichtquellen ausgehen müssen. Doch eigentlich sind derart plumpe Stimmungsmacher unter dem Niveau der Lost-Macher – besonders dann, wenn sie keinen Sinn ergeben. Oder ergibt es doch Sinn? Ja, es würde sogar sehr viel Sinn machen, wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass Jacob durch Feuer repräsentiert wird, denn dann würde Walt oder dessen Erscheinung, die ich bereits beim letzten Mal (in der Review zu „Man of Science, Man of Faith“) mit „Samuel“ in Verbindung brachte, Jacob aussperren. Was hat Walt Shannons diesmal mitzuteilen? Der letzte Ratschlag war ja schon so unglaublich brillant. Diesmal sagt er: "They're coming and they're close." („Sie kommen und sie sind nah.“) Kommt euch das auch so bekannt vor? Also vor allem der erste Teil... . Zufälle gibt’s, nich’ wahr? Erst Jacob aussperren und ihn dann teilweise zitieren, ehe er überhaupt gesagt hat, was da zitiert wird. Aber hey, mit Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart nehmen wir es auf dieser Insel eh’ nicht so genau. Wieder stehen wir aber vor der Frage: Wer sind sie? Ich denke mal, dass man davon ausgehen kann, dass hier zur Abwechslung mal nicht die Anderen gemeint sind, sondern jene „Sie“, vor denen auch Jacob warnte, oder aber schlichtweg die Tailies. Betrachtet man die Transcripte anderer Flüsterer (finden sich im englischen Lostpedia) scheinen jene Entitäten, die das Flüstern verursachen, die Losties zu beobachten und sich uneins darüber zu sein, ob sie mit ihnen direkt reden sollen oder nicht. Allerdings sollte ich das Flüstern wohl besser ein andermal genauer unter die Lupe nehmen. Vielleicht widme ich ihm auch mal einen eigenen Artikel.

Nachdem Walt wieder verschwunden ist, kommt es zwischen Sayid und Shannon zum Streit. Wie einst bei Claire, die nun auch dazu stößt, wird das Geschehen als bloßer Traum abgetan. Wutentbrannt fragt Shannon Sayid: „Do you believe me?“ (Glaubst du mir?“) Sayid antwortet nicht, aber keine Antwort ist bekanntlich auch ’ne Antwort.

Am nächsten Morgen sehen wir Hurley, der Rose bei der Wäsche hilft. Hurley fragt Rose, weshalb sie nicht den Trockner in der Station nutze, woraufhin Rose ihm erklärt, sie möge die Station nicht und außerdem bräuchte man keinen Trockner, wenn man Sonne hat. Eine ungewöhnlich stationsfeindliche Haltung hat Rose da, wenn man bedenkt, dass es vermutlich die Energiefelder im Schwan waren, die ihren Krebs heilten. Ob Ben sich deshalb hat so leicht gefangen nehmen lassen? An John wäre er auch anders ran gekommen, aber so saß er mehrere Folgen direkt neben der Krebsheilenergiequelle.

Shannon stößt zu Rose und Hurley und fragt nach den Sachen von Walt und Michael. Hurley meint, dass die Sachen vermutlich noch in deren Zelt liegen. Als Shannon geht, äußert Rose: „Poor thing, it can't be easy losing the one person you love on the Island.“ („Armes Ding, es ist kaum einfach, die einzige Person zu verlieren, die man auf dieser Insel geliebt hat.“) Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Rose das sagt und dann auch noch in Hurleys Gegenwart. Schließlich gingen vom ersten Tag an alle davon aus, dass Rose selbst diejenige wäre, die einen geliebten Menschen durch den Absturz verloren hat. Ferner ist es Hurley, der als nächster den einzigen Menschen, den er liebt, verlieren wird: Libby. Und Shannon? Tja, durch ihren Tod wird Sayid bald den einzigen Menschen auf der Insel verlieren, der ihm etwas bedeutete. Starben Libby, Boone und Shannon weil einer der Anderen sie getötet hätte? Nein, das Handeln der Überlebenden selbst bringt jedem von ihnen den Tod, doch es ist leichter mit dem Finger auf Andere zu zeigen, als auf sich selbst oder die eigene Gruppe.

Shannon durchsucht Walts Sachen und lässt Vincent daran schnüffeln, damit er Walts Fährte aufnimmt. Doch zu wem führt Vincent Shannon? „Walt?!“ Nein, eben nicht! Vincent bringt Shannon zu Boones Grab. Warum tut er das? Was soll Shannon sehen oder erkennen, was sollen wir sehen oder erkennen? Wenn es unter den Losties einen gibt, der nichts ohne Grund tut, dann ist es der Hund – überhaupt der einzige auf dieser Insel voller Bekloppter, der noch rund läuft. Was hat Walts Erscheinen mit dem Friedhof und Boones Grab zu tun? Ist Walt tot? Besteht eine Verbindung zu Boone? Zumindest stimmt irgendetwas an Walt nicht – er erscheint pitschepatschenass an Orten, an denen er nicht sein sollte, brabbelt komisches Zeug (das nicht immer vorwärts) und ist von großem Interesse für Jacob und die Anderen.. Boone erscheint nach seinem Tod John als Führer (ich verkneife mir trotz Boones beizeiten verdächtigen Scheitels sämtliche Hitler-Witze und ihr bitte auch – danke) in der Schwitzhütte. Wo besteht also die Verbindung? Wieder einmal deuten alle Finger auf die üblichen Verdächtigen: Jacob und Keyser Söze. Und schon wieder hat „Samuel“ einen neuen Spitznamen weg. Da die Anderen Walt zu fürchten beginnen, könnten wir wohl davon ausgehen, dass „Samuel“ sich seiner Gestalt bedienen kann, um sich den Losties zu zeigen. Oder aber Jacob bedient sich Walts Gestalt, denn was Walt Shannon in dieser Folge mitteilt würde ebenso wie Walts Erscheinung am Massengrab und der Umstand, dass der echte Walt wohl noch lebt, dazu passen, dass es nicht „Samuel“ ist. Was aber wenn Vincent Shannon zum Grab führt, um ihr damit zu sagen: „Du suchst einen Toten“? Nehmen wir mal an Walt ist bereits beim Absturz gestorben und „Samuel“ hätte seine Gestalt angenommen oder aber „Samuel“ ist das Monster und hat sich Walts Körper bemächtigt wie Danielles Team. Würde das nicht irgendwie Sinn machen? Denn würde John bereits zu dem Mord an Naomi nicht von Jacob, sondern von dessen Rivalen getrieben, würde das fast schon zu gut passen und auch erklären, weshalb Jacob Walt untersucht haben wollte, obwohl er offenkundig eher eine düstere Natur hat.

Sayid nimmt hingegen an, Shannon sitze an Boones Grab, weil es dessen Tod ist, der sie so aufwühlt. Shannon erwidert: „You really think that this is all about Boone? I saw Walt, Sayid.“ („Glaubst du wirklich, bei alldem ginge es um Boone? Ich sah Walt, Sayid.“) Ich glaube: das lass ich mal genauso unkommentiert stehen wie folgende Antwort auf die Frage, wohin Shannon gehe: „To find Him.“ („Ihn finden“ oder aber „Um Ihn zu finden.“) Ach, ich liebe es, wenn alle so schön vage und doppeldeutig ist und bleibt. Shannon wandert also weiter mit Vincent über die Insel und sucht nach Walt, von dem sie annimmt, dass er irgendwo ganz alleine über die Insel streift und Hilfe benötigt. Die Annahme finde ich nun wieder recht wirsch, aber sei’s drum. Zumindest sind wir nun wieder da angekommen, wo ich vorhin nach der Rückblende angesetzt habe und noch mal zurückgesprungen bin.

Shannon will weniger, dass Sayid ihr glaubt, als dass er vor allem an sie glaubt, denn das tat niemals jemand zuvor („Why don't you believe me? I need you to believe in me.“ | „Warum glaubst du mir nicht? Ich brauche es, dass du an mich glaubst.“). Shannon schüttet Sayid ihr Herz aus, offenbart all ihre Selbstzweifel und ihre Zweifel an Sayids Aufrichtigkeit. Doch prompt gibt Sayid bestimmt zu „I believe you.“ („Ich glaube dir.“), erscheint wer mitten im Dschungel? „Walt?!“ Ja, genau der. Beide sehen sie ihn. Jetzt wissen wir zumindest schon mal eines: Walt ist keine Einbildung. Bevor wir nun alle Fäden zusammenlaufen lassen, müssen wir erst mal den anderen Faden unter die Lupe nehmen, doch dazu muss ich den erst mal wiederfinden... Moment... er war rot, soviel weiß ich noch... wo hab ich den denn nur? Das ich auch immer den roten Faden verliere. Ah, da isser ja! Nein doch nicht, das ist der rote Faden von der letzten Folge. Den hab ich überall gesucht. Prompt hört man mal auf zu suchen, findet er sich von alleine. Bei Jacob! Ah, jetzt hab ich ihn. Jetzt muss ich den nur noch etwas entwirren und den Anfang finden, dann kann’s weiter gehen... So, auf geht es:

She is lost!“ – „I’m not lost!“ Ja, das ist eindeutig der richtige Faden. Aber Ana weiß wirklich nicht wo sie sind oder wo sie lang müssen. Doch Ana-Lucia wäre nicht Ana-Lucia, wenn sie die Schuld nicht schnell auf irgendwen anders schieben würde, der vorzugsweise nicht anwesend ist. Zum Glück erscheint Mr. Eko prompt (wenn man vom „Samuel“/Teufel spricht) und berichtet „Sie“ gesehen zu haben. Die Tailies, Michael, Jin und der Typ mit dem Loch im Arm brechen auf. Als sie so über die Insel wandern, kann man übrigens einmal ziemlich deutlich die Hydra-Insel im Hintergrund erkennen und als hätte James geahnt, dass er da bald hin muss, bricht er erst mal zusammen. Libby – ganz die Psychiaterin – beginnt daraufhin Fragen zu stellen, denn das können Psychiater echt gut: „How'd you get shot, anyway?“ („Wie wurdest du überhaupt angeschossen?“) – „With a gun?!“ („Mit einer Pistole?!“) Das nenn ich Galgenhumor! Viel erstaunlicher ist aber was Michael sagt: „He got shot when they took my kid.“ („Er wurde angeschossen, als sie mein Kind entführten.“) Nicht nur, dass das die erste Äußerung Michaels ohne „Walt?!“ seit acht Folgen war, nein, es heißt durch die Blume an Sawyer gerichtet etwa so viel wie: „Eye, Mann, tut mir leid, dass ich mich so doof benommen hab. Danke, dass du versucht hast, meinen Sohn zu beschützen.“

Sawyers Verwundung wird bald zum Streitpunkt zwischen Ana und Eko, der durch den Dschungel gehen will und nicht – wie Ana – entlang der Küste. Wie menschenverachtend Ana in ihrem Egoismus und ihrer Furcht werden kann, offenbart sich hier in aller Deutlichkeit: „You're doing this to get the cowboy back faster, aren't you? You would risk our lives to help him?“ („Du tust das, um den Cowboy schneller zurückzubringen, oder etwa nicht? Du würdest unsere Leben riskieren, um seines zu retten?“) Zu so einer Äußerung fällt einem doch echt nichts mehr ein. Und eben weil mir nichts dazu einfällt, kommen wir direkt zu Anas nächster Äußerung: „I liked you better when you weren't talking.“ („Ich mochte dich lieber, als du nicht gesprochen hast.“) In „S.O.S.“ sagt Bernard etwas vergleichbares zu Eko: „I think I liked you better when you just hit people with your stick.“ („Ich glaub, ich mochte dich lieber, als du noch Leute mit deinem Stock verprügelt hast.“)

Auch auf dem Rest der Wanderschaft zeigt sich Anas Paranoia in immer extremeren Formen. Sie verbietet ihren Begleitern den Mund und vermutet hinter jedem Busch einen Anderen, der gleich hervorspringt und sie mit seinem bloßen Blick in Stücke reißt. Sie vergleicht die Anderen mit cleveren Tieren, die jederzeit und an jedem Ort auftauchen können. Ferner meint sie auch, dass eine Waffe und eine Kugel die Anderen nicht aufhalten könnten („And if you think that one gun and one bullet is going to stop them – think again“). Da fragt an sich doch: Warum schießt sie dann irgendwo wahllos in den Busch? Wenn sie so überzeugt davon ist, dass ihre Waffe eh’ nichts ausrichten kann, macht es nicht wirklich Sinn auf Verdacht ins Gebüsch zu ballern und so womöglich die einzige Kugel, die sie noch hat, zu verschwenden. Aber man wäre ja froh, wenn sie die Kugel nur verschwendet hätte! Es kommt letztlich sogar noch weit schlimmer und Ana erschießt eine Unschuldige.

Aber beinahe wäre Shannon nicht der einzige Lostie gewesen, den Ana auf dem Gewissen gehabt hätte, denn Sawyer will sie, als dieser entgültig zusammenklappt, am liebsten zum Sterben zurücklassen. Mehr will ich auf die Szene auch nicht eingehen... schon allein davon, dass ich an die Szene zurückdenke, werde ich ganz aggressiv.

Als die Gruppe Sawyer dann die Böschung hochhievt, indem sie ihn nach oben durchreichen, verschwindet Cindy dann spurlos. Und mal wieder hat mein spezieller Liebling etwas richtig nettes dazu zu sagen: „This is all your [Eko’s] fault. We never should have gone through the jungle. You risked our lives to save him and he's already dead. This one's on you.“ („Das ist alles deine [Ekos] Schuld. Wir hätten niemals durch den Dschungel gehen sollen. Du hast unsere Leben riskiert, um seines zu retten und dabei ist er schon tot. Das geht auf deine Kappe.“) Man hört das Flüstern, Ana zieht die Waffe und... sagen wir so: Shannon war zur falschen zeit am falschen Ort. Obwohl...?! Walt hat sie ja direkt in den Tod geführt. Und weshalb bleibt Sayid erst auf der Lichtung zurück und springt dann plötzlich auf und rennt ihr hinterher, als sei ihm gerade eingefallen, dass die schießwütige, hysterische Kuh ja mit ’ner Knarre im Wald steht und auf alles ballert, das sich bewegt. Apropos: Guckt euch mal an wie Ana guckt, als ihr klar wird, was sie angerichtet hat.

Kommen wir zum Abschluss noch zu etwas erfreulicherem: der Nebenhandlung um Claire und Charlie, die sich nach ein paar Wochen auf Psycho-Island schon verhalten wie ein altes Ehepaar. John hilft Claire mit dem Baby und später bietet sie ihm dafür an Aaron einen Moment zu halten. Als Charlie dazukommt reagiert er gewohnt eifersüchtig – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: er ist süchtig danach zu eifern. Außerdem verrät Claire John in dieser Folge versehentlich von Charlies geheimen Heroinvorrat.

Okay, ich denke das reicht für heute und diese Folge. Die nächste ist ein Gastbeitrag, den ich aber noch mal Korrektur lesen und am Ende ggf. um ein paar Punkte ergänzen werde. Ein letztes hab ich noch: Da sie in dieser Folge nicht vorkommt, muss ich der Ordnung halber jetzt aber doch noch mal nachfragen: „Where’s Kate?“

3 Kommentare:

  1. Erstmal, gute Arbeit, wieder ein sehr schöne Review.

    Zum Thema Feuer: Kann es nicht sein, dass das Feuer erlischt, weil Jacob anwesend ist? Kann es nicht sein, dass er sich von dem Feuer nährt? Vielleicht braucht er das Feuer, um in anderer Gestalt in Erscheinung zu treten. Das würde für mich vor allem auch die Verwunderung von Flocke am Ende von S5 erklären, als Ben ihm von der Falex (der falschen Alex) erzählt. Würde meiner Meinung nach auch passen.

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  2. Ich stimme Dir komplett zu! Shannon habe ich in den Rückblicken auch als anderen Menschen kennen gelernt, die außerdem noch sehr jung war als ihr Vater starb und ihre eiskalte Stiefmutter sie im Stich ließ. Bei Ana-Lucia stimmen wir sowieso überein und auch alles andere ist stimmig.
    Bei Cindy frage ich mich allerdings? War das nicht die Stewardes? Haben wir sie nicht im Pilotfilm gesehen und hatte sie nicht eine Art Uniform an bei die anderen 48 Tage? Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht fällt jemand anderem noch etwas dazu ein.

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  3. Cindy ist die Stewardess, korrekt...
    Sie taucht dann später wieder bei "den Anderen" auf und scheint rel. gut integriert in deren Gesellschaft...

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    @ Anubis:
    Ben im Schwan:
    "...er auch anders ran gekommen, aber so saß er mehrere Folgen direkt neben der Krebsheilenergiequelle. "

    Meinst du, er hatte das wirklich so geplant?
    Zumindest würde mich das wundern, wenn es ihm um die Strahlung ging,
    denn dann hätte er doch bestimmt noch ein paar Tage länger im Schwan aushalten können und hätte seinen Krebs vielleicht soweit bekämpfen können, dass Jack ihn nicht hätte operieren müssen.
    Schliesslich war Rose's Erkrankung auch relativ schnell "geheilt"
    (was wir bisher natürlich nicht wirklich bewiesen bekommen haben)

    Ben wollte aus erster Hand wissen, wer die Leute "auf seiner Insel" sind und wahrscheinlich wie man sie wieder loswerden kann...

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