Freitag, 15. Januar 2010

Kleines Update zum mythologischen Jakob

Bin gerade in "A Dictionary of Angels - including the fallen angels" von Gustav Davidson noch auf was interessantes gestoßen. Auf Seite 26 im Artikel über den Todesengel ("Angel of Death") steht da:
Over 6 persons the angels of death has no power (says Talmud Baba Bathra, fol. 17), to wit: Abraham, Isaac, Jacob, Moses, Aaron and Miriam. With regard to Jacob, it is said that "not the angel of death ended his life, but Shekinah took his soul with a kiss."

Über 6 Menschen hat der Todesengel keine Macht (laut Talmud Baba Bathra, Rolle 17), d.h.: Abraham, Isaak, Jakob, Mose, Aaron und Mirjam. Bezüglich Jakobs wird gesagt, dass "nicht der Engel des Todes sein Leben beendete, sondern Shekinah seine Seele mit einem Kuss nahm"
Shekinah ist der weibliche Aspekt Gottes bzw. seine weibliche, meschliche Gestalt. Sie soll Jakob als Engel auch von allem Bösen befreit haben.
In Bezug auf unseren Jacob finde ich es ganz interessant, da man ja parktisch unsterblich ist, wenn der Tod keine Macht über einen besitzt, was auch auf Richard und "Samuel" zutreffen könnte. Von einem gewissen Standpunkt aus hat der Tod generell keine Macht über jene, die von der Insel erwählt sind, denn schließlich entscheidet sie allein, wann sie sterben können, wie man an Michael gesehen hat. Genau das könnte auch ein Teil der Lösung sein, warum sich weder Ben und Charles noch "Samuel" und Jacob gegenseitig töten können.

Übrigens sorry, dass ich im Moment nicht sehr viel zu den Reviews komme... war wahrlich anders geplant^^

Dienstag, 12. Januar 2010

FAQs und Infos

Da jetzt nochmal die Frage zu Staffel 6 aufkam:
Zu Season 6 kann ich noch nichts sagen, weil immer noch nicht klar ist, wann die letzte Staffel auf Fox läuft. Sollte die Differenz sich aber im Rahmen (unter 2 Wochen) halten, bin ich geneigt auf FOX zu warten, anstatt morgens um 5 vor dem PC zu sitzen und wieder einen Nervenzusamenbruch zu bekommen, weil irgend so ein Video nicht richtig lädt, oder die Verbindung zusammenbricht oder was weiß ich. Das gilt selbstverständlich vor allem für die regulären Folgen. Das Finale will ich natürlich auch möglichst zeitnah sehen.
Ich gestehe ein bisschen hab ich auch Angst vor der letzten Staffel und zwar weniger davor, dass nicht alles aufgelöst wird, sondern mehr davor, dass alles aufgelöst wird. Ich möchte nicht alles 100%ig geklärt haben, ich möchte, dass etwas Raum für Interpretation und Spekulation bleibt. Denn sonst hätte "Lost" sich durch sein Ende selbst das Grab geschauffelt. "Lost" wäre nict mehr "Lost", wenn man plötzlich nichts mehr hätte, dem es sich auf dne Grund zu gehen lohnt. Ganz abgesehen davon bleibt auch die Sorge, die Lösung könnte nicht zufriedenstellend sein oder aber - und das ist eine Sorge die habe wahrlich nur ich - zum Teil mit dem übereinstimmen, an dem ich derzeit arbeite - die Wahrscheinlichkeit ist zwar gering, aber ein paar Berührungspunkte gibt es und dann würde etwas nach Ideenklau aussehn, was gar keiner war, weil ich den Gedanken zwar beim Schreiben der Reviews bekam, aber die Idee trotzdem nicht wirklich was mit "Lost" zu tun hat... denke ich. Außer halt den paar Berührungspunkten und der Tatsache, dass es eine großangelegte Mystery-Erzählung sein wird.
Wo ich gleich beim nächsten wäre: ich hoffe mal ganz stark, dass ein Teil von euch bei diesem Projekt mit an Bord ist. Entweder als Leser oder auch als Co-Autor, denn dieses Projekt soll wirklich... umfangreich werden. Neben den Romanen als Kern (zum Teil werden die auch im Netz abgedruckt), sollen auch ARG-ähnliche Elemente das Ganze bereichern und weil es so umfangreich sein soll, wäre etwas Unterstützung doch nicht schlecht. Soll heißen: ich suche noch meinen Damon Lindelof ;-)

Jetzt zum aktuellen Stand des Lost-Marathons:
Ich arbeite bereits an der Blastdoormap-Analyse und werde heute oder morgen auch mit "Dave" anfangen. Ich habe übrigens auch vor - sofern es meine Zeit erlaubt - auch während Staffel 6 noch weiter zumachen... so weit wie wir halt kommen.

Für alle weiteren offenen Fragen, Anregungen, Bitten etc. nutzt ihr bitte einfach die Kommentarfunktion.

Namaste und Viel Glück!

Sonntag, 10. Januar 2010

Jacob und der Loopholedude - Incident-Review Teil I (von voruassichtlich IV)

The Incident – Erster Teil:

Jetzt hab’ ich mich solange erfolgreich vor diesem Monster von einer „Lost“-Folge gedrückt, dass mir die Ausreden ausgegangen sind. Also, wo am besten anfangen? Ich denke in diesem Fall stürze ich mich auf das Interessanteste ausnahmsweise mal am Anfang: Jacob und sein mysteriöser Widersacher, sein Bad Twin, seine Nemesis. Jede Kraft im Universum braucht eine ebenso starke Kraft, die ihr entgegenwirkt, damit alles in Balance bleibt. Das gilt nicht nur in Naturwissenschaften (etwa bei Materie und Antimaterie, Plus und Minus, aufzubringenden Kräften und dergleichen), sondern auch in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften. In der Mathematik muss auf beiden Seiten eines Gleichungssystems am Ende stets der gleiche Wert rauskommen. In der Philosophie gibt es zu jeder These eine Antithese, die zusammen zur Synthese führen – etwa Idealismus und Materialismus. In der Wirtschaft stehen sich Kapitalisten und Kommunisten oder in Politik und Soziologie Rechte und Linke gegenüber. Bei den Spiritisten und in den Religionen dieser Welt findet sich auch stets ein Yang zu jedem Yin. Seien es nun Maat und Isfet bei den Alten Ägyptern oder Gott und Teufel im Christentum. Ordnung und Chaos, Gut und Böse, Hell und Dunkel. Sie bilden stets eine Einheit – das eine kann nicht ohne das andere. Man kann kein Glück empfinden, wenn man das Leid nicht kennt. In „Lost“ finden sich zahlreiche dieser Gegensatzpaare: Glaube und Wissenschaft, Gefühl und Verstand, Schwarz und Weiß, Hell und Dunkel, Sozialismus und Kapitalismus, Leben und Tod, Idealismus und Materialismus, Losties und Andere, Jack und John, Jack und Sawyer, Ben und Charles, Ben und Sayid, John und Ben, Eko und John und letztlich halt auch Jacob und „Samuel“.

Was wissen wir nun definitives über die beiden? Nicht sehr viel. Jacob erscheint uns als verhältnismäßig junger Mann so um die Vierzig. Ob das sein wahres Erscheinungsbild ist, können wir nicht sagen, obgleich wir bislang kein anderes von ihm zu Gesicht bekommen haben. Da die Anderen Jacobs Gegenpart nie als solchen erwähnt haben, können wir nicht einmal sagen, was von dem, das Ben und Richard so über Jacob gesagt haben, auch wirklich auf ihn zutrifft. Die Technologiefeindlichkeit etwa scheint doch sehr viel mehr zu „Samuel“ zu passen als zu Jacob, denn so viel wird in der Eröffnungsszene von „Der Vorfall“ klar: Jacob ist die treibende Kraft, der Fortschritt. Er ist zwar geduldig und ausdauernd, aber nichtsdestotrotz eine in die Zukunft blickende Persönlichkeit. „Samuel“ hingegen ist konservativ, fast reaktionär. Die beiden haben große Ähnlichkeit mit einer Vielzahl mythologischer Wesen und so langsam aber sicher wird es wohl Zeit einen allumfassenden Blick darauf zu werfen.

Beginnen wir mal bei den monotheistischen Weltreligionen – vor allem Christentum und Judentum. Der biblische Jakob ist hier nach Jesus (und das auch nur bei den Christen) wohl die größte Ausnahmeerscheinung unter den Menschen. Jakob war der Sohn Isaaks (somit also der Enkel von Abraham) und wurde kurz nach seinem Zwillingsbruder Esau geboren. Angeblich soll er sich sogar bei der Geburt an Esaus Ferse festgehalten haben. Festgehalten? So, so... Ja, der Name Jakob steht (laut Wikipedia) sogar synonym für „Fersenhalter“. Okay, Fersen bekommt man sonst nicht so gut zu fassen, aber dafür Schultern, Nasen und Hände.

Während Isaak Esau bevorzugte, bevorzugten sowohl Jakobs Mutter Rebekka als auch Gott Höchstselbst Jakob. Doch war Jakob – wenn auch nur sehr knapp – dummerweise nicht der Erstgeborene. Allerdings gelang es ihm Esau auszutricksen. Diese altbekannte Geschichte mit dem Linsengericht, das Jakob mit Esau gegen das Erstgeborenenrecht tauschte, zeigt sehr deutlich, warum Jakob Gott wohl lieber gewesen sein dürfte: Esau demonstriert hier sowohl Unüberlegtheit als auch Gier, während Jakob listig und weitsichtig agiert. Später erschlich er sich mit der Hilfe seiner Mutter auch vom schon greisen und fast blinden Isaak den Erstgeborenensegen und floh danach zu Verwandten. Da war er überaus umtriebig. Er erarbeitete sich gleich zwei Frauen und zwar die Töchter seines Onkels Laban: Lea und Rachel. Aber damit nicht genug der Inzest. Da Rachel zunächst keine eigenen Söhne gebar, legte Jakob kurzerhand noch die Hauptmägde (und übrigens auch Halbschwestern) seiner zwei Frauen flach. Da kann man nur fragen: Weiß der Papst das?

Was Jakob aber vor seiner Rückkehr ins gelobte Heimatland vollbrachte ist wohl wahrlich einmalig: Er rang einen Engel nieder. Engel sind die Krieger Gottes und wenn ein Mensch einen von ihnen besiegt, kommt das einem Sieg über Gott gleich. Um Jakobs Sieg beim Ringen mit Gottes Krieger zu ehren, segnete der Engel Jakob auf dessen Verlangen hin und gab ihm den Namen Israel („Gottesstreiter“). Dieser Mann, der Stammvater der Israeliten, ist folglich der einzige Mensch, der es jemals fertiggebracht hat, sich mit Gott zu messen und obendrein zu obsiegen. Darüber hinaus hatte er zwölf Söhne von denen der jüngste den Namen Benjamin trug – wir glauben ja nicht an Zufälle.

Aber ist dieser Jakob, denn der einzige Jakob in der Bibel? Nein, nicht wirklich, denn da wären noch die zwei Jünger Jesu mit Namen Jakobus, von denen einer sogar Jesu Bruder war und zusammen mit Simon wohl am stärksten zur Verbreitung des Christentums beigetragen hat.

Da wir „Samuels“ wahren Namen bislang nicht kennen, würde man meinen, man müsse sich ihm wohl vor allem über seine Ansichten und die Beziehung zu Jacob nähern. Allerdings möchte ich für einen Moment mal die Möglichkeit zulassen, dass dieser Name aus dem Castingaufruf nicht allzu weit von seinem wahren Namen entfernt ist. Denn jener Engel, den Jakob niederrang, wird bei Hanina Ben Hama als Erzengel und obendrein als der Schutzengel Esaus identifiziert– sein Name: Samael oder auch Sammuel. Das zeigt wie wichtig auch Esau war, denn einen Erzengel als Schutzengel zu haben ist etwa so als wenn der Papst und Barack Obama eure Bodyguards wären. Schutzengel stehen in der himmlischen Hierarchie nämlich kurz über Toilettenreiniger, während Erzengel die Chefetagen bewohnen – obgleich sie erst der achte Chor sind, tauchen fast alle Erzengel in höheren Engelschören ebenfalls auf. Ferner haben nur wirklich auserwählte Menschen mit Erzengeln Kontakt, andere Menschen bekommen meist nur normale Engel zu sehen, die aber immer noch über den normalen Schutzengeln stehen. Dass aber ein Erzengel als Schutzengel auf eine bestimmte Person angesetzt wird, ist meines Wissens nach einmalig. Was ist über diesen Erzengel Samael noch bekannt? Tja, da stoßen wir nun doch gleich auf ein Problem, denn der Begriff „Erzengel“ ist an und für sich schon mal eine verdammt heikle Angelegenheit. In der Bibel als Erzengel verbürgt wird nur Michael. Je nach Quelle zählt man neben Gabriel und Raphael oft noch Uriel zu den vier Erzengeln. Danach wird es aber schon verdammt schwierig. Wie steht es mit Metatron? Zählt man jene Engel, die im Buche Henoch in einer Reihe mit Michael, Gabriel, Raphael und Uriel erwähnt werden, mit dazu? Was ist mit Luzifer? Und was mit unserem Samael? Samael und Luzifer haben schon mal so einiges gemein, denn beide tauchen sie als Anführer der rebellierenden Engel auf – der eine im Christentum (zumindest laut moderneren Glaubenslehren, denn namentlich als solcher erwähnt wird Luzifer nie), der andere in der Kabbala. Samael ist also auch ein gefallener Engel, der gegen Gott aufbegehrte und den Grund dafür, dass die Engel gegen Gott aufbegehrten, dürften die meisten kennen: die Menschen. Samael wird bei Rabbi Jose als Ankläger (hebräisch: „Satan“) identifiziert. Und was tat der Satan im Buche Hiob? Er trat vor Gott und klagte die Menschen an, behauptete, dass sie nur solange Gott treu wären, wie er sie liebe und ihren Wohlstand sichere. Hiob, der überaus wohlhabend und gläubig ist, wird für Gott und Satan exemplarisch zum Gegenstand ihres Experiments und Satan bemüht sich nach Kräften Hiob zu demoralisieren und ihm seinen Glauben zu nehmen. Ursprünglich war der Satan also ein kleiner Quälgeist, der den Menschen ihr Glück nicht gönnte, sie für schlecht hielt. Klingt doch verdammt vertraut, oder? Unser „Samuel“ ist ein Ankläger, ein Satan, denn auch er klagt die gesamte Menschheit an.

Wer nun aber glaubt, damit sei der Satan bei Gott stets auf taube Ohren gestoßen, irrt. Wir alle kennen die Geschichten vom Sündenfall, von Noah und seiner Arche und von Sodom und Gomorra. Gerade die letzte ist wiedereinmal richtig interessant, denn da rang Abraham Gott das Versprechen ab, er würde diese verdorbene Stadt nicht zerstören, wenn es Abraham gelänge, zehn rechtschaffene Menschen zu finden. Prompt sind wir wieder bei Jacob, der nach seiner kleinen Gruppe guter Menschen sucht, um den Beweis zu erbringen, der „Samuel“ Fehlbarkeit nachweist. Es ist als hätten Samael und Jakob bzw. „Samuel“ und Jacob nie damit aufgehört miteinander zu ringen – noch immer bekämpfen sie einander.

Noch ein paar Worte zu Luzifer (um mal mit einem alten Irrglauben aufzuräumen): Luzifer heißt „Lichtbringer“ und es ist lediglich eine Theorie, dass er der Teufel sein soll. Letztlich wird nur gesagt, dass ein Stern (Luzifer war bei den Römern der Name für den Morgenstern) vom Himmel gestürzt sei, dem man den Schlüssel zum Höllentor gegeben hätte. In der Apokalypse öffnet er es und befreit das Heer Abaddons. Huch, kommt euch der Name etwa auch so bekannt vor? Wer schickt den „Lost“-Abaddon zum „End Game“ los? Charles. Es wäre wohl nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt, Luzifer in Charles Widmore zu sehen, der ja auch von einem gestürzt wird, der bei Jacob höher im Kurs steht. Charles und Luzifer fallen beide in Ungnade und so tritt der auf den Plan, der bei Jacob bzw. Gott am höchsten im Kurs steht und sein persönlicher Chef-Vollstrecker ist: Ben bzw. der Heilige Erzengel Michael, der Führer der göttlichen Heerscharen.

Freut euch nicht zu früh, ich bin mit Bibel, Tanach und Co noch nicht durch. Es gibt in der Bibel nämlich noch ein paar andere Streithähne, die zu betrachten nicht schaden kann: „Und Kain sprach zu dem Herrn: Meine Strafe ist größer, als ich sie ertragen kann. Du vertreibst mich heute von meinem Ackerland, unstet und flüchtig muss ich sein auf Erden, und wer mich antrifft, der wird mich totschlagen. Da sprach der Herr: Nein, wer dich erschlägt, an dem soll es siebenfach gerächt werden [keine Ahnung wie man das bewerkstelligen will, Anubis2705]. Und er versah Kain mit einem Zeichen, damit ihn keiner erschlüge. Und so ging Kain weg vom Angesicht des Herrn und zog ins Land Ruhelos, jenseits von Eden.“ (1. Mose: 4, 13-16) Der Vertriebene, dessen Verbrechen nicht durch seine Ermordung vergolten werden können, erinnert natürlich vor allem an Charles. Kain und Abel sind aber insofern nicht ganz uninteressant für Jacob und „Samuel“, da auch diese beiden im Paradies (auf der Insel) rumhocken und der eine dem anderen nach dem Leben trachtet.

Tja, dann wäre da noch der gute, alte Judas. Bei dem stellt sich auch nach etwa 2000 Jahren noch die Frage: War es wirklich Verrat? Wie Ben beging Judas seine Tat vielleicht aus tieferem Glauben heraus, denn 30 Silberstücke waren jetzt nicht wirklich eine angemessene Entlohung für die Auslieferung eines Staatsfeindes wie Jesus es für Römer und Teile der jüdischen Hohepriester war. Jesus musste (und Jacob ja vermutlich auch) sterben, damit sich alles zum Guten wendet. Manche meinen auch Judas sei vom Satan besessen gewesen... ob man nun besessen ist oder er in Tarnung daneben steht – ein marginaler Unterschied, meint ihr nicht?

Doch erfüllt „Samuel“ nicht nur die Kriterien für die Rolle des Anklägers, sondern vor allem für eine ebenso weitverbreitete Klasse spiritueller Wesen: die Trickster. Trickster sind überaus mächtige Götter oder Geister, die die Sünden der Menschen gegen sie kehren, sie verspotten und manipulieren. Trickster sind Gestaltwandler, Schelme, Rächer und Ankläger. Sie sind nicht gut oder böse, sondern haben lediglich einen recht speziellen ethischen Kodex und überdies oft einen zynischen bis sadistischen Humor. Wer könnte leugnen, dass das nahezu ausnahmslos auf „Samuel“ zutrifft. „Samuel“ ist ja nicht der Inbegriff des Bösen. Ganz im Gegenteil prangert er die Verbrechen der Menschen an, erachtet sie für unwürdig. Für manche Menschen kann er aber auch ein gewisses Maß an Verständnis aufbringen, denn obgleich er Ben benutzt, hat er gewisse Empathien für ihn, versteht seinen Schmerz.

Trickster existieren in nahezu allen Mythologien und Religionen der Welt. Das Christentum bildet hier die große Ausnahme, da die katholische Kirche sich wohl nie so recht mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass es Wesen in Gottes Schöpfung gibt, die nicht nach ihren Regeln spielen, sprich weder schwarz noch weiß sind, was auf Trickster zweifelsohne zutrifft.

Doch da stehen wir überhaupt vor einem Problem, dass sowohl „Samuel“ als auch Jacob betrifft: sie fügen sich nicht so recht in unser Verständnis von Gut und Böse. Nicht nur, dass „Samuel“ kein Feind der Menschen ist, weil er böse wäre, sondern weil er die Menschen selbst für böse hält, nein, ihm fehlen auch sonstige Züge, die wir mit dem Bösen assoziieren: er ist kein Sadist, spielt nach den Regeln, tötet nicht grundlos. Und auch mit den etwas wertfreieren Begriffen von Ordnung (Maat) und Chaos (Isfet) wie bei den Ägyptern kommen wir nicht sehr weit, denn obgleich Jacob die Lichtgestalt ist, so voller Güte und Mitgefühl, ist er doch weitaus chaotischer als sein Antagonist. „Samuel“ spricht die Sprache der Ordnung, ist konservativ, reaktionär. Er steht dem Tod zwar näher als dem Leben, doch ist der Tod weder böse, noch chaotisch – im Gegenteil: nichts ist ordentlicher als Dinge, die tot sind. Das Leben (Jacob) hingegen ist laut und plärrend, ständig in Bewegung. Veränderung. Evolution. Fortschritt. Jacob ist das Chaos, der Rebell. Er ist nicht bereit aufzugeben, seine Fehleinschätzung einzugestehen. Schließlich sagt „Samuel“: „Still trying to prove me wrong, aren't you?“ („Du versuchst noch immer, zu beweisen, dass ich mich irre, oder etwa nicht?“). „Noch immer“ – also muss man um diesen Streit zu gewinnen, den anderen davon überzeugen, dass er falsch liegt und „Samuel“ geht es langsam auf den Keks, dass Jacob nicht einfach zugeben kann, dass „Samuel“ recht hatte. Doch Jacob muss seine Fehlannahme eingestehen, damit „Samuel“ gewinnt, könnte genau das Jacobs eigenes Loophole sein? Denn ein Toter kann schlecht einen Fehler zugeben.

Kommen wir jetzt zu der Ägyptischen Mythologie, die bei „Lost“ ebenso präsent ist wie die abrahamistischen Religionen und im Falle von Jacob und „Samuel“ durch die Statue sogar noch etwas mehr im Vordergrund zu stehen scheint. Zwar haben auch Judentum und die daraus entstandenen Religionen (Islam und Christentum) ihren Ursprung in Ägypten (Aton-Glaube), aber ein Blick auf die Ägypter lohnt sich wohl dennoch. Besonders ausführlich wird der allerdings nichts ausfallen, denn den detaillierten Blick darauf hab’ ich großteils schon an anderer Stelle gewährt – denke ich mal. Wer es also genau wissen will, liest im Lostpedia-Blog am besten meine ersten beiden Abhandlungen über die Zusammenhänge zwischen „Lost“ und Ägyptischen Göttern durch.

Grundlegend gibt es zwei Paare, die ganz gut auf „Samuel“ und Jacob passen würden: Osiris und Seth UND Ra und Apophis. Da ich die Osiris-Story nun wirklich schon mal haarklein erklärt habe, sei nur so viel gesagt, dass zumindest der Mord sehr gut dazu passen würde und auch Osiris weiteres Schicksal nach seinem Tod. Dennoch bin ich eher ein Verfechter der Hypothese, dass Jacob sich in Ra und „Samuel“ in Apophis wiederfindet. Die beiden waren nämlich echt verdammt zäh, haben sich jede Nacht aufs neue in der Unterwelt die Köppe eingeschlagen. Nachdem Ra nämlich als Atum im Westen untergegangen war, musste er ja irgendwie nach Osten gelangen, um dort als Chepre am Morgen wieder aufzugehen. Daher durchwanderte er des Nachts den Duat. Und jede Nacht wurde seine Nachtbarke von Apophis attackiert.

Auch das Motiv des Feuers passt zu Ra, der als Sonnengott ja auch das Feuer der Sonne mitrepräsentiert. Das Feuer steht bei den Alten Ägyptern oft für Schutz und Reinigung. Außerdem gerade im Zusammenhang mit Ra (aber auch Osiris) für Wiedergeburt, wenn er das Morgens als Chepre auf einem Sandhügel erscheint und emporsteigt wie Phönix aus der Asche.

Apophis würde zumindest zu Smokey (und es ist wohl überaus wahrscheinlich, dass „Samuel“ und Cerberus das gleiche Wesen sind) passen wie die Faust aufs Auge, denn Apophis war eine riesige Schlange und obendrein der Gott der Unwetter, des Gewitters und der Zerstörung. Erinnern wir uns doch mal an das Relief unterhalb des Tempels, auf dem Anubis und ein komisches Schlangenmonster zu sehen waren: diese stilisierte Darstellung des Monsters (ich gehe mal davon aus, dass es das sein soll) würde recht gut zu Apophis passen. Ferner war Anubis ja wahrlich der Wächter der Unterwelt, der Beschützer der Verstorbenen. Nach Maat selbst war Anubis wohl die gerechteste, schützendste und wohlgesinnteste Gottheit der Alten Ägypter. Denn er hütete und bewahrte auch die Maat – Aspekte, die durchaus auch zu Jacob passen würden, obgleich uns da seine helle Kleidung einen Strich durch die Rechnung macht, denn Anubis’ Farbe war Schwarz. Bis heute tragen wir in Trauer diese Farbe.

Die Anderen hingegen tragen Weiß und ich finde es schon verdammt auffällig, dass die Trauerkleidung der Anderen sehr Jacobs Hemd in diesem kleinen Prolog ähnelt. Wo wir gerade bei Jacob und Stoff sind, mal ein kleiner Blick auf den Teppich. Ich will jetzt zunächst mal nicht dessen Inhalt begutachten, sondern nur den Teppich als solches und wofür er ein Symbol sein könnte. Mir kommen da ja die Moiren in den Sinn – die Griechischen Schicksalsgöttinnen, die jedem Menschen ihren Lebensfaden spannen. Die germanischen Nornen gehen noch einen Schritt weiter: die webten die Fäden dann nämlich zu einem Schicksalsteppich zusammen. Im Falle der Moiren hat eine gesponnen (okay, gesponnen haben sie vermutlich alle drei^^), eine bemessen und eine abgeschnitten. Jacob spinnt (dieses Verb bringt einen echt in arge Bedrängnis) und „Samuel“ schneidet ab... aber wer misst? Oder spinnt die Insel und Jacob misst? Ich schätze aber mal, dass sich das Bild des Schicksalsteppichs in Verbindung mit Jacob wahrlich selbst erklärt, denn er fügt halt die Schicksalsfäden aller zusammen und als er fertig ist, stirbt er. Ben sagt er: „You like it? I did it myself. It takes a very long time when you're making the thread, but, uh... I suppose that's the point, isn't it?“ („Gefällt er dir? Ich hab ihn selbst gemacht, Es nimmt einige Zeit in Anspruch, wenn man den Faden [aber auch: der Gedankengang, die Diskussion] selbst macht, aber...nun... ich schätze mal, das ist der springende Punkt, oder nicht?“) Er hätte auch sagen können: „Wo wir uns endlich mal treffen, hast du eigentlich eine Vorstellung, was das für eine Arbeit ist euch alle genau zur rechten Zeit, an den rechten Ort zu bringen? Allein!“

Bemerkenswert ist überhaupt, dass Jacob in der Szene unter der Statue nur ein einziges Mal das Wort an „Samuel“/Locke richtet und das auch erst, nachdem dieser Jacob von sich aus angesprochen hat – fast so als wolle er sagen: „Eye, du Arsch, ich bin auch noch da!“ Jacob spricht mit Ben und Flocke plappert dazwischen: „Hello, Jacob!“ („Hallo Jacob!“) Alles, was Jacob antwortet, ist: „Well, you found your loophole.“ („Gut, du hast dein Schlupfloch gefunden.“) Letztlich ist selbst das mehr eine Feststellung als wirklich ein Gespräch. Jacob würdigt „Samuel“ kaum eines Blickes, geht völlig über ihn hinweg. Ben hingegen behandelt er sehr respektvoll, geht auf ihn ein, hört zu, als jener ihm sein Leid klagt. Auch weißt er Ben nachdrücklich daraufhin, dass er noch immer einen freien Willen, eine Wahl hat. Das Problem ist nur, Ben wurde für sein eigenes Empfinden von Jacob selbst nie eine Wahl gelassen. Ben lebte all die Jahre in der festen Überzeugung, dass er Jacob und der Insel zu Diensten sein muss, doch jetzt denkt er, dass er entweder Jacob oder der Insel dienen kann. Also trifft er unbewusst tatsächlich eine Wahl. Zunächst aber entscheidet er sich nur für sich selbst, denn er will Klarheit und gibt Jacob eine letzte Chance, sich zu erklären. Andere an Bens Stelle hätten Jacob diese Möglichkeit sich zu entschuldigen wohl nicht eingeräumt und ihn gleich umgelegt. Ich finde, diese Szene zeigt zwei Dinge sehr klar: Ben ist Jacobs Auserwählter, sein Favorit UND Ben ist in seinem Kern ein guter Mensch, denn trotz allem, wovon Ben glaubt, dass Jacob es ihm angetan hat, will er ihn nicht töten. „Samuel“ muss viel Überzeugungsarbeit leisten und sogar Jacob selbst, muss Ben noch weiter provozieren. Bevor ich jetzt aber wieder zu tief in einer Analyse der Beziehung zwischen Jacob und Ben versinke, kehre ich noch einmal zu den mythologischen Bezügen bei Jacob und „Samuel“ zurück, denn da war ich noch keineswegs fertig:

Wir waren mittlerweile ja schon bei den Griechen angekommen. Dieser Bezug ist aufgrund der altgriechischen Textpassagen auf dem Teppich auch keineswegs aus der Luft gegriffen. Einige sehen einen Bezug zwischen Jacob und Apollo, dem griechischen Gott der Weisheit und schönen Künste. Hinweise darauf wären etwa der nach Apollo benannte Schokoriegel, den Jacob Jack gibt (allerdings könnte diese Namensgebung auch eine Anspielung auf Mars sein... oder war der römische Kriegsgott doch Snickers? Na ja, zum Glück war es wenigstens kein MilkyWay oder gar ein Raider, denn dann hätte sich Jacob in Twix umbenennen müssen^^), oder die Namen der Dharmastationen, bei denen sich häufig Bezüge zu Mythen rund um Apollo herstellen lassen.

Ich persönlich würde jedoch viel eher einen Bezug zu Prometheus sehen. Prometheus war nämlich wie Jacob ein Fan von Feuer, ein echter Philanthrop und obendrein ein kleiner Revoluzzer. Prometheus stahl den anderen Göttern nämlich das Feuer und gab es den Menschen. Er hatte wohl nicht bezweckt, dass wir gleich anfangen uns damit auch gegenseitig umzubringen, aber er tastete halt unseren freien Willen nicht an. Anderes Zeus. Der war nämlich auf 180, als er von Prometheus’ Tat erfuhr, und hat den armen Titan daraufhin an den Kaukasus gekettet, wo ihm seither jeden Tag aufs Neue von einem schlechtgelaunten Adler die Leber rausgepickt wird. „Loop, Dude, Loop!“

Eine in „Lost“ stark vertretene Religion haben wir noch abzuarbeiten: den Buddhismus. Wobei der Buddhismus wohl mehr eine Lebenseinstellung als eine Religion im klassischen Sinne ist. Vorab muss ich allerdings gestehen, dass ich mich beim Thema Buddhismus auf dem bewege, was Sarah Kuttner einst das „oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“ nannte. Doch zum Glück ist mir das Schicksal bei meiner Recherche derzeit hold und so fand ich etwas sehr aufschlussreiches, an einem Ort, wo ich es nicht vermutet hätte, und zwar in Heinrich Krauss’ „Kleines Lexikon der Engel – Von Ariel bis Zebaoth“. Hier steht auf Seite 33f. unter dem Stichwort Buddhismus folgendes: „Auch wenn der Buddhismus keinen Schöpfergott im Sinne der monotheistischen Religionen kennt, so leugnet er doch nicht die Existenz von Göttern und engelähnlichen oder dämonenhaften Wesen. Sie haben zwar eine übermenschliche Daseinsform, unterliegen jedoch, wie die gewöhnlichen Sterblichen, dem leidvollen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, so lange sie sich nicht durch sittliche Vollendung und Erleuchtung aus diesem Bereich ‚Samsara’ befreit haben und ins ‚Nirwana’, die Sphäre der Erlösung, eingegangen sind.“ Das passt so erschreckend gut in das Gesamtbild von Jacob, dass ich den Abschnitt gleich viermal lesen musste. Jacob ein göttliches Wesen auf dem Weg zur Erleuchtung? Wiedergeburt? Das ist wohl das, was der Buddhismus allen anderen Religionen voraus hat: er kann problemlos mit ihnen co-existieren – sie nur nicht mit ihm. Bezüglich Jacob trifft das auch erst einmal den Kern und man müsste sich für alles weitere wohl an einen separaten Artikel zum Thema „Lost und Buddha“ machen, doch dazu müsste ich mich zumindest erst mal in die Materie reinarbeiten, wozu es mir im Moment etwas an Zeit mangelt. Wenn euch aber ein solcher Artikel wichtiger wäre als so manche Review, müsst ihr das sagen. Vielleicht kennt sich aber auch einer von euch mit dem Thema aus und kann darauf basierend selbst so eine Abhandlung als Gastbeitrag verfassen.

Interessant ist der Buddhismus aber auch in Bezug auf „Samuel“, denn so heißt es auf Wikipedia zu den vier edlen Wahrheiten: „1. Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll“ (Die Red Sox lassen schön grüßen) und „2. Die Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung“ (auch Meister Yoda entsendet seine Grüße). Ungeachtet dessen, dass dies ganz gut zu „Samuels“ Grundeinstellung passt, kam mir noch eine andere total verrückte Idee, die wahrlich ein fetter Mindfuck wäre, wenn sie stimmen würde. Wir gehen die ganze Zeit davon aus, dass „Samuel“ Jacob loswerden will und Jacob der Überlegene ist. Was wäre aber, wenn „Samuel“ bereits eine Bewusstseinseben weiter ist und „Do you have any idea how badly I wanna kill you?“ („Hast du eigentlich eine Idee, wie schlimm es mir danach verlangt, dich zu töten?“) gar nicht feindselig gemeint ist. Was wenn „Samuel“ hier keine Drohung ausspricht, sondern ein Versprechen abgibt: „One of these days, sooner or later... I'm going to find a loophole, my friend.“ („Eines Tages, früher oder später... finde ich ein Schlupfloch, mein Freund.“) Könnte doch auch heißen: „Irgendwann gelingt es mir, die Regel zu umgehen und dich zu erlösen. Und dann, mein Freund, wirst du erkennen, das ich recht hatte, denn dann bist du erleuchtet.“ Denn alle Wesen sind laut Buddhistischer Lehre in einem Kreislauf aus Leben, Tod und (Wieder)Geburt gefangen, bis sie ein Schlupfloch finden und aus ihm ausbrechen können.

Damit bin ich gleich bei der zweiten Möglichkeit: Oder aber „Samuel“ redet von sich selbst, dass er für sich ein Schlupfloch aus diesem Kreislauf sucht, um Jacob ebenbürtig begegnen zu können, da dieser das Nirwana bereits erreicht hat.

Okay, alles darüber hinausgehende würde dazu führen, dass mich meine eigenen Gedankengänge überfordern, weshalb ich nun einmal die Ebene der übernatürlichen Entitäten verlasse und wir nun endlich zu Jacobs Aufeinandertreffen mit anderen Schlüsselcharakteren zu sprechen kommen: All diese Treffen haben bestimmte Gemeinsamkeiten, wobei es bei jeder Gemeinsamkeit mindestens eine Ausnahme von der Regel gibt. Bei allen Treffen spricht Jacob mit dem jeweiligen Hauptcharakter und auch nur mit ihm (Ausnahme: bei Ben spricht er auch mit „Samuel“). Er bietet ihnen etwas an, was außer „Samuel“ alle annehmen, oder überlässt ihnen auf anderem Wege irgendetwas (Ausnahme: Sayid nimmt er etwas). Jacob sucht die Betreffenden selbst auf oder wartet irgendwo auf sie. Die Besuche finden stets an besonderen Schlüsselmomenten der Betreffenden statt (okay, Ben besucht Jacob selbst, was schon an und für sich ein Schlüsselmoment ist). Jacob berührt seinen Gegenüber (Ausnahme: „Samuel“). Keinem außer Ben und „Samuel“ ist wirklich bewusst mit wem sie sprechen, nur Ilana scheint sich Jacob sich dann irgendwie zu offenbaren. Jacob tut etwas für jeden von ihnen (Ausnahmen: „Samuel“ und Sayid). Soweit zu den Gesetzmäßigkeiten.
Jetzt wollte ich zwar direkt auf die Besuchen bei den ganzen Charakteren im einzelnen eingehen, doch dann dachte ich, dass ihr wahrlich lange genug auf neuen Lesestoff warten musstet und ich das mal auf Teil 2 vertage. Ich weiß nur schonmal eines: Seit meiner Facharbeit über den Vampirmythos und seine politische Bedeutung im Mittelalter, hab ich nicht mehr soviel für einen Text recherchiert wie für diesen - hoffe es hat sich gelohnt.^^