Samstag, 13. März 2010

"I can't think of a better man for the job“ - "Dr. Linus"-Review

Dr. Linus:

Was für eine Folge. Sie lässt einen doch etwas konfus zurück, denn obwohl nun scheinbare Klarheit herrscht, gibt es so einige Details, die einen aufwühlen, über die man noch lange nachsinnt und versucht die versteckte Bedeutung dahinter zu erfassen. Es sind Kleinigkeiten, die wohl noch große Bedeutung erlangen werden. Wir verlassen die Insel am Ende der Folge, nachdem sich nun auch die Heimmannschaft zusammengefunden hat. Die letzte Folge endete bei Nacht, alles war düster und der Mann in Schwarz zog mit seinem Trupp vom Tempel weg. Wie wir nun wissen, hat sich sein Team die Hydra-Insel als Basis auserkoren. „Dr. Linus“ wiederum endet bei Tag am weißen Strand, alles ist licht und hell. Eine kleine Gruppe letzter Getreuer steht beisammen, als ein weiterer Mitspieler eintrifft: Charles Widmore. Ist er der letzte Teilnehmer an diesem finalen Kampf? Wohl kaum, denn wie sagt Eloise zu Desmond? Die Insel ist mit ihm noch nicht fertig. Also ein Spieler fehlt mindestens noch, sofern er nicht bei seinem Schwiegervater im U-Boot hockt, was ich doch zu bezweifeln wage. Wenn dieser letzte Rekrut eingetroffen ist und eine Seite gewählt hat, dürfen wir uns wohl auf einen epischen Kampf freuen: „Zwei Spieler, zwei Seiten – eine ist hell, die andere dunkel.“

Aber wie findet sich Team-Jacob nun? Ironischerweise nimmt ausgerechnet Jacobs Mörder eine zentrale Rolle dabei ein, denn er schlägt, kurz bevor er überführt wird, den späteren Treffpunkt als Lager vor: das Strandlager der Losties. Aber ist Ben wirklich Jacobs Mörder? Ist er nicht vielmehr die Mordwaffe, welche über Jahrzehnte in Jacobs Händen lag und seine fragwürdigen Befehle ausführte, ehe sie der Gegenseite in die Hände fiel und gegen ihren Schöpfer gewendet wurde? Prompt sind wir auch schon im zentralen Thema der Inselhandlung: Jacob und Ben – eine Beziehung die blutig endete und deren Aufarbeitung überfällig ist. Von Richard erfahren wir in dieser Folge, dass die Berührung Jacobs einen überhaupt erst zum vollwertigen Kandidaten und praktisch unsterblich macht. Man kann sich nicht umbringen und auch nur schwerlich von anderen umgebracht werden. Man stirbt erst, wenn Jacob einen lässt – also vermutlich, wenn man von der Liste gestrichen wurde. In zweierlei Hinsicht ein wichtiger Punkt, wenn wir Bens Lebensgeschichte betrachten. Wenn selbst Tom wusste, dass die Insel (also Jacob) einen nicht sterben lässt, bis man seine Aufgabe erfüllt hat, dann wird Ben dies wohl auch gewusst haben. Plötzlich kann man Bens ersten Versuch, Locke zu töten, in einem ganz anderen Licht sehen: Ist er ein Kandidat, überlebt er. Viel bedeutsamer sind Richards Infos aber in Bezug auf Ben selbst, denn was stellt Jacob unmittelbar vor seinem Tod sicher? Genau: Er berührt Ben und geht damit sicher, dass er als letzter Kandidat doch noch im Spiel bleibt. Verknüpfen wir das nun mit Miles Aussage: „Right up until the second time the knife went through his heart, he was hoping he was wrong about you. I guess he wasn't.“ („Kurz bevor das Messer das zweite Mal in sein Herz eindrang, hoffte er, sich in dir getäuscht zu haben. Ich schätze: das hat er nicht.“) Was wird suggeriert? Jacob hofft sich in Ben geirrt zu haben, weil er glaubte Ben würde ihn töten. Doch hat Ben nicht irgendwo recht, wenn er Miles kurz zuvor entgegenhält, Jacob habe es nicht gekümmert, ob er lebt oder stirbt? Letztlich brachte sein Tod Jacob einen großen Vorteil gegenüber dem Mann in Schwarz: sein Gegner weiß nicht, dass er weiterhin die Fäden ziehen kann. Hurley wird zu Jacobs Sprachrohr und so bleibt das Spiel am Laufen. Der von Hurley gezogene Vergleich zwischen Jacob und Obi-Wan Kenobi könnte hier durchaus ein versteckter Hinweis sein, denn auch Obi-Wan lässt sich von seinem einstigen Schüler bereitwillig töten und sorgt so dafür, dass Luke entkommt und seinen Vater läutern kann. Obi-Wans Opfer macht es Vader/Anakin möglich sich aus Sidious’ Einfluss zu befreien und den Kampf zwischen Licht und Schatten endgültig zu beenden. Ferner stirbt Obi-Wan erst, nachdem er Vader gewarnt hat: „Wenn du mich tötest, werde ich mächtiger als du dir nur entfernst vorstellen kannst.“ Das führt uns zu Ben, der in diesem Bild Anakins Rolle einnimmt. Ist er also dazu bestimmt MiB zu töten, diesen ewigen Kampf zu beenden? Hätte Jacob gehofft sich in Ben getäuscht zu haben, weil er ihn für böse hielt, hätte er ihn nicht berührt. Ich denke, dieser „Irrtum“ bezieht sich auf Jacobs Liste. „117 – LINUS“ wurde durchgestrichen. Ein Erklärungsmodell wäre also, dass Jacob hoffte, Ben sei doch zu seiner Nachfolge bestimmt oder halt dazu auch „Samuel“ zu töten.

Doch bedenken wir Jacobs Weitsicht wäre noch ein ganz anderes Szenario vorstellbar: Ahnte er vielleicht, dass Ilana Miles bitten würde, Jacobs Mörder zu entlarven? Ist es nicht vor allem Miles Aussage über Jacobs letzte Gedanken, die Ben dazu bringt, sich für Jacob zu entscheiden. Selbst jetzt noch ist alles, was Ben sucht, Anerkennung. MiB ist bereit ihm diese zu geben und Ben zieht in Erwägung zu ihm zu gehen. „Because he's the only one that'll have me.“ („Weil er der einzige ist, der mich annehmen wird.“) Ist es denn so egoistisch, was Ben sich wünscht? Ist es zuviel verlangt, dass er einmal von irgendeinem Menschen geliebt werden möchte? Bens Streben nach Macht folgte stets dem Wunsch Jacob zu begegnen. Er führte dessen Aufträge aus, um sich seiner Anerkennung sicher sein zu können. Ben wurde stets verwehrt, was sich letztlich jeder Mensch mehr ersehnt als alles andere: die Zuneigung anderer Menschen. Ironischer Weise ist es genau dieses zwanghafte Streben danach, zu gefallen, das ihn bei den meisten Menschen unbeliebt macht: „You make friends easy, don't you?“ („Du machst dir leicht Freunde, oder nicht?“)

Was tut Ben, als Miles ihn entlarvt? Er versucht sich rauszureden, sucht das Gespräch mit Ilana. Die will überhaupt nichts davon hören, ignoriert Ben, vergräbt sich in ihrem Zorn. Sie hätte sich und Ben viel ersparen können, wenn sie bereit gewesen wäre, zuzuhören. Doch auch Ben hat hier einen entscheidenden Fehler gemacht. Wäre er damals aus der Statue gekommen und hätte, nachdem man ihm Lockes Leiche gezeigt hatte, gesagt: „Verflucht! Ich dachte das wäre Locke und er wäre der Auserwählte, der, auf den wir gewartet haben. Die Insel hatte mir aufgetragen JEDER seiner Anordnungen zu folgen. Er hat mich dazu gebracht, Jacob zu töten“, es wäre ihm kaum schlechter ergangen als jetzt. Das ist eine der vielen Lektionen, die Ben dank Jacob nun endlich lernt: Manchmal ist die Wahrheit weitaus ungefährlicher als die Lüge. Nicht nur Ilana verliert mit Jacob den einzigen Menschen, der für sie dem, was man als „Vater“ bezeichnen könnte, je am nächsten kam. Ben leidet unter Jacobs Tod aus dem selben Grund ebenso wie Ilana und da wir nun wissen, dass Jacob all die Kandidaten besuchte und berührte und nur einen zu sehen, verweigerte, drängt sich wieder der Verdacht auf, dass Bens Leid und Jacobs Tod einen tieferen Sinn hatten. Denn Ben lernt daraus, wie diese Folge zeigt.

Am Strand durchwühlt er Sawyers Sachen, unterhält sich mit Frank darüber wie gut er sich an den Tag erinnere, an dem das Flugzeug abstürzte. Als Frank ihm daraufhin erzählt, eigentlich hätte er fliegen sollen, stellt Ben trocken fest, es hätte wohl nichts geändert.

Wie groß Ilanas Zorn ist, zeigt sich bald darauf: Sie zwingt Ben, sein eigenes Grab zu graben. Genau hier wird er endgültig einer der Losties, denn Ilana wählt einen interessanten Platz für Bens letzte Ruhestätte in spe aus: den Friedhof der Losties. Ethan und der Marshall liegen woanders begraben. Alle Menschen, die hier ruhen, waren an Bord von Flug 815, an dessen Absturz sich Ben erinnert, „als sei es gestern gewesen“. Die Anderen existieren nicht mehr, sie sind tot oder haben Jacob verraten, sich dem Mann in Schwarz angeschlossen. Außer Ben ist nur noch ein einziger Anderer übrig: Richard Alpert. Anders als Ben sucht dieser im Dschungel den Tod.

Richard kommt gerade vom Tempel, als er Jack und Hurley begegnet, die auf dem Rückweg vom Leuchtturm sind. Sowohl Hurley als auch Richard wollen verhindern, dass Jack zum Tempel zurückkehrt und am Ende landet das Trio an der Black Rock. Richard hat seinen Glauben verloren und will nun sein schon viel zu lange währendes Leben beenden: „Jacob touched me and when Jacob touches you... well it's considered a gift... except it's not a gift at all. It's a curse.“ („Jacob hat mich berührt und wenn Jacob einen berührt...nun, es wird als Segen betrachtet... nur, dass es letztlich kein Segen ist. Es ist ein Fluch.“)

Jacobs Tod hat ihm die Gewissheit genommen, dass alles einen tieferen Sinn hat. Richard erwidert Jack auf die Frage, warum er sterben will: „I devoted my life – longer than you can possibly imagine – in service of a man who told me that everything was happening for a reason, that he had a plan – plan that I was a part of – and when the time was right that he'd share it with me, and now that man's gone so... Why do I want to die? Because I just found out my entire life had no purpose. Now if I light this myself it won't work, but you can light it for me, Jack. I made the fuse long enough so you'll have time to get out.“ („Ich habe mein Leben – länger als man es sich nur vorstellen kann – einem Mann hingegeben, der mir sagte, alles passiere aus einem bestimmten Grund, er einen Plan habe, einen Plan, von dem ich ein Teil wäre und wenn der rechte Zeitpunkt da wäre, würde er ihn mit mir teilen. Aber jetzt ist dieser Mann fort... Also, warum will ich sterben? Weil ich erkannt habe, dass mein gesamtes Leben ohne Sinn und Zweck war. Wenn ich das jetzt selbst entzünde, würde es nicht funktionieren, aber du könntest es für mich entzünden, Jack. Ich mache die Lunte lang genug, damit du noch Zeit hast rauszugehen.“) Klingt nicht nach dem Richard, den wir kennen, mehr wie John Locke, wenn er mal wieder in Selbstmitleid zerfließt. Richard ist nun an dem Punkt angekommen, an dem Ben sich seit der Statue befindet. Ausgerechnet Jack, der plötzlich seinen bis vor kurzem noch unbenutzten und originalverpackten Glauben zu Jacob entdeckt hat, hilft Richard mit einer echt mutigen Glaubensprüfung aus der Depression. Wer hätte gedacht, dass Jacks Götterkomplex noch mal zu was gut sein Kann? Richtig: Jacob ;-).

Und bevor ich nun zu Ben zurückkehre, sei gesagt, dass mir nicht entgangen ist, dass Richard zwischen den Zeilen durchblicken lässt, mit der Black Rock gekommen zu sein. Ja, ich hab das immer ganz vehement zurückgewiesen... vermutlich, weil es mir zu einfach war. Back To Ben:

Der bekommt beim Buddeln Besuch von Miles und unternimmt einen letzten verzweifelten Versuch, sich freizukaufen – wer könnte es ihm in der Situation verübeln. Da Miles aber von den Leichen zweier Diamantendiebe weiß, was da noch so unter der Erde wartet, interessiert ihn Bens Angebot nicht sonderlich. Doch ein unmoralisches Angebot ist es auch, was Ben letztlich rettet. Plötzlich steht „Samuel“/Locke/MiB vor ihm. Für Ilana ist John nicht zu sehen, da er hinter einem Busch steht... ein Männlein steht im Walde, gar nicht still und stumm. Sag, wer mag das Männlein sein, das da steht im Wald allein... Da MiB gerne unmoralische Angebote macht, versucht er auch Ben für sich einzuspannen. Für Mephisto in Black scheint Benjamin „Faust“ Linus ein offenes Buch zu sein, denn er bietet Ben an, wonach er sich vermeintlich sehnt: Macht, mehr Macht als er sie je hatte. MiB bietet Ben Jacobs Posten an. Warum? Ich denke „Samuel“ glaubt, er habe jetzt endlich einen Dummen gefunden. Oder er weiß etwas über Ben und seine Rolle im Ganzen, was wir noch nicht wissen. Nur hätte er nicht ganz speziell an Ben Interesse, würde er nicht so einen Aufwand betreiben. Ben ist so verzweifelt und einsam, dass er in Erwägung zieht, auf dieses Angebot einzugehen. Er rennt nicht in den Dschungel und macht sich auf den Weg zu „Samuel“, weil er sich davon Jacobs Posten verspricht. Es schmeichelt ihm zwar, dass ihm dieser Posten laut MiB wie auf den Leib geschneidert wäre, doch er geht aus einem völlig anderen Grund: pure Verzweiflung. Er fürchtet um sein Leben, ist einsam und verlassen und der einzige, der bereit ist, sich seiner anzunehmen, ist jener Mann, der ihn in diese Lage brachte und eigentlich sein Feind sein sollte. Ben macht keinen Hehl daraus, dass er wütend auf MiB ist: „Because you talked me into killing Jacob. You see that woman over there eating a mango? She's His bodyguard and she knows what I did. So now you've got what you wanted because she's going to kill me.“ („Weil du mich dazu überredet hast, Jacob zu töten. Siehst du die Frau da drüben, die eine Mango isst? Sie ist Sein Leibwächter und sie weiß, was ich getan habe. Also, jetzt hast du, was du wolltest, denn sie wird mich umbringen.“)

Ben sagt MiB er könne eh’ nicht fort und die Fußschelle öffnet sich wie von Geisterhand (Dazu fällt mir nur ein: „Alter, du warst voll der Jedi-Meister“). „Samuel“ mahnt Ben, er solle nicht zögern, wenn er das Gewehr habe, denn sie würde es auch nicht. Ach? Die wievielte Person ist das jetzt, bei der „Samuel“ versucht Ben in einen Mord reinzuquatschen? Bequeme Methode Ilana loszuwerden, denn sie beschützt für ihren Pseudo-Daddy Jacob die Kandidaten, wie sie Sun in dieser Folge ja eröffnet. Woher kennt sie die Liste? Und warum weiß sie nicht für welchen Kwon Eintrag 42 steht? Und wer ist der sechste Kandidat, wenn 42 nur für einen steht? „There are only six left.“ („Es sind nur noch sechs übrig.“) Wo wir gerade beim Thema sind: Sieht so aus, als hätte MiB in dem Punkt die Wahrheit gesagt. Hat er dies auch, als er Ben das Angebot macht, wissen wir schon, wer der sechste Kandidat ist, doch dann fragt sich, wie Ilana ihn hätte töten sollen.

Ben rennt zumindest in den Dschungel und findet – wie versprochen – ein Gewehr, doch er tötet Ilana nicht. Ben hat mit diesem Leben abgeschlossen: Mord gehört nicht länger zu den Dingen, die er zu tun bereit wäre. Vom Paulus zum Saulus und wieder zurück zum Paulus. Ben ist geläutert, ein für allemal: „I watched my daughter Alex die in front of me. And it was my fault. I had a chance to save her, but I chose the island over her. All in the name of Jacob! I sacrificed everything for him. And he didn't even care. Yeah I stabbed him, I was... so angry...confused...I was terrified that I was about to lose the only thing that had ever mattered to me: my power. But the thing that really mattered was already gone. I'm sorry that I killed Jacob. I am and I do not expect you to forgive me because...I can never forgive myself.“ („Ich habe meine Tochter Alex vor meinen Augen sterben sehen. Und es war meine Schuld. Ich hatte eine Chance sie zu retten, aber ich habe die Insel ihr vorgezogen. All das im Namen Jacobs! Ich habe alles für ihn geopfert. Und ihn hat es nicht einmal interessiert. Ja, ich habe ihn erstochen. Ich war... so wütend... verwirrt... ich hatte Angst, das einzige zu verlieren, was je wichtig für mich war: meine Macht. Aber das, was wirklich wichtig war, war längst fort. Ich bedaure Jacob getötet zu haben. Das tu’ ich und ich erwarte nicht von dir, dass du mir vergibst, weil... Ich werde mir selbst niemals vergeben können.“) Da spricht ein reuiger Sünder. Also hat Jacob sich wohl nicht in ihm getäuscht. Ben hat seine Lektion gelernt, verstanden, dass Macht nicht von Bedeutung ist, wenn einem sonst nichts bleibt. Nun ist er tatsächlich der beste Mann für den Job („I can't think of a better man for the job“). Jetzt da Ben die Macht nicht mehr interessiert und er weiß, was sie aus ihm gemacht hat, scheint es doch so, als sei er nun wahrlich prädestiniert für Jacobs Nachfolge, eben weil er sie nicht mehr möchte. Ilana hat nun erkannt was für ein gebrochener Mann Ben ist und sie könnte mit ihm anstellen, was sie wollte, denn keine Strafe der Welt könnte schlimmer sein als das, was Ben schon erleiden musste. Also nimmt Ilana Ben mit zurück. Dann treffen auch Jack, Hurley und Richard am Strand ein und es kommt zur großen Wiedersehensfeier. Nur einer steht abseits und beobachtet das Szenario: Ben – „Er wandelt unter uns... aber er ist keiner von uns.“

Kommen wir von einer Insel zur nächsten. Die Insel, um die es nun geht, heißt Elba. Die Parallelen, die hier zwischen Ben und Napoleon Bonaparte gezogen werden, sind offenkundig. Für Napoleon war jedoch die Insel das Exil – für Ben hingegen das Festland. Beide besaßen sie unglaubliche Macht, gingen ins Exil, kehrten von dort zurück und schafften es ohne Waffengewalt wieder eine Führungsrolle zu übernehmen, um binnen weniger Tage endgültig bei Null anzukommen. Das war es aber mit den Übereinstimmungen. Napoleon war ein Feldherr, Ben bevorzugt da andere Mittel, um seine Ziele zu erreichen. Was entscheidend ist, ist die Frage nach dem Machtverlust. Macht zu besitzen und zu verlieren ist weitaus schlimmer als sie nie besessen zu haben. Ben lernt auf der Insel (also in der Crash-Timeline) wie unwichtig Macht letztlich ist. Napoleon hat diese Lektion nie gelernt und starb einsam und verbittert in einer Hütte auf St. Helena und das erinnert weniger an Ben als an Jacob und/oder den MiB. Doch treffen wir in der Schule, an der Ben Geschichte unterrichtet, eine Person wie sie Charles Widmore aus Bens anderem Leben kaum ähnlicher sein könnte: Rektor Reynolds. Beide bringen sie Ben in Rage, weil sie ihre Macht missbrauchen, sich nicht mehr um ihre Aufgabe kümmern und er will sie ersetzen. Man kann Ben als Anführer viel nachsagen, doch letztlich war er stets bemüht, im Interesse der Gruppe zu handeln, hat den Kontakt zu jenen, für die er die Verantwortung hatte, nie verloren.

Was LAX-Ben im Gespräch mit Leslie über Reynolds und das Schulsystem äußert, ist eine schwer zu leugnende Wahrheit und wir stellen wieder einmal fest: das Leben der Menschen mag sich ohne Insel und Jacob ändern, aber die Menschen selbst ändern sich nicht wirklich. Ben hat auch in dieser Realität ein gewisses Machtgen, möchte es aber zum Guten nutzen. Seine Maxim ist: der Zweck heiligt die Mittel (ein Erpressungsversuch ist nicht gerade die feine, englische Art). In beiden Zeitlinien liebt Ben Kinder und eines liegt ihm besonders am Herzen: Alex. Eine Sache unterscheidet sich aber ohne Jacob-Faktor dann doch gewaltig: Bens Beziehung zu seinem Vater. Zwar sind auch in dieser Zeitlinie Gefäße mit Gas im Spiel, doch hier, um Roger das Leben zu erleichtern, und nicht, um es zu beenden. Roger sagt Ben, er habe sich für seinen Sohn ein besseres Leben gewünscht und sei deshalb auf die Insel gegangen und der Dharma beigetreten. Was folgern wir aus dieser Aussage? Zunächst einmal etwas, was wir auch so wussten: Ben ist als Geschichtslehrer intellektuell so unterfordert wie es Mozart bei einem Song von Scooter wäre. Und LAX-Roger ist um einiges netter als Crash-Roger. Viel wichtiger aber: In beiden Zeitlinien existierte die Insel und Ben und Roger waren als Mitglieder der Dharma dort. Gab es aber auch in dieser Realität die Explosion, fragt man sich, wie all das zusammenpasst. Die ganzen Erklärungsmodelle aufzureihen, erscheint mir aber wenig sinnvoll.

Wichtiger ist da schon Bens Verhalten, als von Alex kompromittierende Informationen über Reynolds erhält. Von einer Äußerung Lockes angestachelt beginnt Ben, gegen Reynolds zu Felde zu ziehen, doch der erpresst zurück. Ben entscheidet sich für Alex und gegen die Macht – er hat getan, was er auf der Insel nicht tat. Wenn MiB tatsächlich hinter dieser neuen Zeitlinie steckt, könnte Bens Wunsch also eine zweite Chance gewesen sein. Diesmal will er alles richtig machen: seinen Vater umsorgen, der Macht zu Gunsten von Alex entsagen und ein ganz normales Leben führen. Jedoch hatte LAX-Ben die Macht nie inne, es gab nichts, was er aufgeben musste, weil er nie etwas hatte. Aber dieser Wunsch würde zum neuen, geläuterten Ben passen. Ist er damit glücklicher? Nein, glücklich wäre er, wenn er wieder in dme Haus stehen könnte und Keamy Forderung einfach nachkäme. Aber dann hätte er wohl nie begriffen, was er begreifen musste... Whatever happened, happened!

So, ich denke das reicht soweit für diese Woche. Wir lesen uns zu „Recon“. Bis dahin noch ein Schönes Wochenende und

NAMASTE!

Mittwoch, 10. März 2010

Doctor, Doctor give me the news... - Erste Eindrücke zu "Dr. Linus"

Tja, was soll man dazu sagen: Ben ist wohl endlich da angekommen, wo er hingehört. Was mich an dieser Folge am meisten beschäftigt ist, dass Jacob gehofft haben soll, er habe sich in Ben geirrt, denn diese Äußerung ist ja ebenso vage wie irritierend, denn wir wissen gar nicht, was er über Ben wirklich dachte. Wer weiß, ob er nicht für Ben hoffte, sich geirrt zu haben, weil er annahm Bens Rolle im Finalen Kampf wäre eine unschöne. Angenommen Jacob bezog sich darauf, ihn von der Liste gestrichen zu haben und hofft jetzt, dass dies ein Fehler war und Ben der Kandidat ist, den er sucht. Denn eines ist wohl sehr entscheidend: Jacob lässt sich gegen Ben fallen, berührt ihn, stellt kurz vor seinem Tod sicher, dass Ben im Spiel bleibt. Richard sagt, er könne nicht Suizid begehen, weil Jacob ihn berührt habe. Ich denke es geht weit darüber hinaus: Wer von Jacob berührt wurde, kann nur sterben, wenn Jacob es zulässt - wir erinnern uns an Michael. Nun ist Jacob tot und MiB darf die Kandidaten nicht anrühren. Durch Jacobs Tod hat der MiB vielleicht verhindert, dass er die Insel jemals verlassen kann, denn das geht erst, wenn Jacob und er einen Nachfolger haben. Jacob wollte nicht abtreten, also musste er weg, doch jetzt lässt sich kein Nachfolger finden, da das Eliminierungsspielchen durch Jacobs Tod vorbei ist. Also versucht MiB jetzt an Bens Machtgen zu appellieren und scheitert damit. Er will die Losties aufeinanderhetzen, damit sich die Kandidaten gegenseitig umbringen: auch das dürfte schwierig werden. Also holt er jemanden, der ebenso Anspruch auf Jacobs Thron hat wie Ben und kein gewissen hat: Charles Widmore. Oder war es Jacob selbst, der Charles zurückholte, um MiB auszuschalten? So oder so: Ben hat sich endgültig entschieden: "Samuel" bietet ihm die Herrschaft über die Insel an und er lehnt das Angebbot ab. Was wenn all sein Leiden ihn genau auf diese Lektion vorbereiten sollte, wenn Jacob ihm alles nahm, damit er erkennt, was für ihn wirklich wichtig ist. Ben ist nicht wie Napoleon. Es war nicht die Macht um die es ihm ging, sondern die Anerkennung. In der Flash-Sideways-Timeline ist das nicht anders: Ben entscheidet sich gegen die Macht und für Alex, weil er erkannt hat: es ist wichtiger och in den Spiegel gucken zu können als Macht auszuüben.
Namaste und bis zur Review, die dieses Mal hoffentlich eher kommt ;-)

Dienstag, 9. März 2010

Catch a Falling Star

Sundown:

Der Vorteil an einer so actionlastigen Folge wie „Sundown“ ist für mich, dass es weniger zu analysieren gibt. Wobei weniger im Falle von „Lost“ immer noch eine Menge ist. Also auf geht’s. Da die Flash Sideways wenig mit der aktuellen Inselhandlung zu tun haben (bis auf eine sehr wichtige Schnittstelle, die wir uns ganz genau ansehen werden), behandeln wir sie mal kurz vorab. Sehr viel gibt es dazu letztlich auch nicht zu sagen, denn es zeigt sich, dass in der anderen Zeitlinie alles irgendwie anders, aber doch beim Alten geblieben ist, denn obwohl Sayids inselfreies Dasein auf den ersten Blick die gewaltigsten Unterschiede zur ursprünglichen Zeitlinie aufweist, wenn man es mit Kate, Jack, Hurley, John oder Claire vergleicht, stellt man bei genauerem Hinsehen fest, dass sich hier letztlich überhaupt nichts geändert hat. Sayid hat Nadia auch in dieser Zeitlinie nicht, weil er glaubt, sie nicht zu verdienen. Omer ist noch immer darauf angewiesen, dass sein hartgesottener Bruder ihm Probleme aus der Welt schafft. Sayid selbst ist ebenso wie in der Crash-Timeline bemüht sein wahres Naturell zu verleugnen. Na ja, und Martin Keamy ist und bleibt ein riesengroßes ******** (dieses Wort darf erst nach 22Uhr geschrieben werden). Einzig überraschend war der Koreaner im Kühlschrank und Keamys Kochkünste, die der Szene im Lokal so einen leichten Hauch vom ersten Auftritt von Linderman bei „Heroes“ geben. Mehr gibt es hier tatsächlich nicht zu sagen, würde ich mal sagen. Daher gehen wir nun gutgelaunt auf die Insel, wo sich ein Unwetter (in Form einer verdammt übelgelaunten, bisweilen glatzköpfigen, Gewitterfront) zusammenbraut.

Vor dem Tempel warten „Samuel“/MiB/der falsche Locke/The Antagonist formaly known as The Smoke Monster und Claire auf besseres Wetter (nein, da ist und war nicht der letzte Gewitterwolken-Witz dieser Review). Da „Samuel“ immer noch Probleme mit Asche und – wie wir später erfahren – Dogens Präsenz hat, schickt er Claire vor, um seine Nachricht zu überbringen. Claire weist „Samuel“ nachdrücklich daraufhin, dass er ihr versprochen hat, sie werde ihren Sohn zurückbekommen, wenn sie da nun reingehe (wir kommen später noch einmal darauf zurück). Dass Claire noch viel Gutes in sich hat, zeigt ihre Sorge um die Menschen im Tempel, denn trotz ihres Zorns und ihres Hasses fragt sie, ob „Samuel“ die Menschen im Tempel töten werde und er erwidert: „Only the ones who won't listen.“ („Nur jene, die nicht zuhören wollen.“)

Im Tempel hat derweil Sayid Dogen zu Rede gestellt und wurde von ihm dann quer durch dessen Büro geprügelt und es ist schon schön zu sehen, dass es auch für Sayid noch jemanden gibt, der ihm die Fresse polieren kann. Doch obwohl er es einst wollte, tötet Dogen Sayid nicht und verbannt ihn stattdessen. Vielleicht durfte er Sayid auch nicht töten, weil der noch immer ein Kandidat ist. Viel interessanter ist aber der Dialog, der dieser radikalen Renovierungsorgie im Tempel vorangeht: Dogen erwähnt hier etwas, das uns durchaus bekannt vorkommt. Er spricht davon, dass sich in der Seele jedes Menschen eine Waage befindet und auf der einen Seite sei das Gute und auf der anderen das Böse. Die komische Diagnoseapparatur mit den Elektroden und dem glühenden Schürhaken verrät Dogen – so sagt er zumindest – welche Waagschale schwerer ist. Bei Sayid dominiere das Böse. Mein lieber Dogen, das Messergebnis hättest du auch ohne Sayids Bad in der heilenden Brühe erhalten, sofern deine Instrumente noch richtig funktionieren. Wir können es nur mutmaßen, aber vermutlich durchliefen Claire und Ben einen ähnlichen Test – zumindest soweit es Ben betrifft, würde das wieder einmal dafür sprechen wie besonders er ist, da er in Jacobs Namen all diese schrecklichen Dinge tun konnte, ohne dass sich die Waage zur falschen Seite neigt. Er ist vermutlich in der Lage seine Aufträge auszuführen, ohne sich von ihnen vereinnahmen zu lassen.

Woran aber erinnert uns diese Metapher von der Waage? Richtig: die Höhle in der Felswand, zu der MiB Sawyer geführt hat. Wessen Waage ist das? Oder innerhalb von was zeigt sie die Verteilung von Gut und Böse an? Bezieht sie sich nur auf das Kräfteverhältnis zwischen MiB und Jacob? Zeigt sie an, wer auf der Insel einflussreicher ist? Oder geht es hier um etwas weit größeres? So oder so: der „Inside Joke“ wird ein weiteres Stückchen mehr zum „Outside Joke“. Ganz abgesehen von den offenkundigen Analogien, die sowohl die Höhlen-Waage als auch Dogens Schilderung zur Waage der Maat oder der Waage beim Jüngsten Gericht haben, kann man das Bild wirklich auf jede Figur, jede Gruppe in „Lost“ übertragen.

Dass Dogen Sayids Tod für besser hielte, illustriert ferner das Verständnis der Anderen von Gut und Böse: einen Menschen zu töten, der Schaden über die Welt bringen wird, ist kein Verbrechen, sondern gerechtfertigt. Dogen verfolgt eine von Ben schon altbekannte Maxim: Im Zweifelsfall heiligt der Zweck die Mittel – eine Regel, nach der auch Jacob selbst zu handeln scheint, wie Dogens eigene Lebensgeschichte uns im späteren Verlauf der Folge aufzeigt.

Sayid will gerade aufbrechen, als Claire erscheint. Sie übermittelt Dogen die Nachricht, dass „er“ ihn sehen wolle und zwar vor dem Tempel. Da Dogen angeblich derjenige ist, der „Samuel“ draußen hält, wäre es nicht nur für ihn selbst, sondern auch für alle anderen das Ende, wenn er sich dem Mann in Schwarz stellen würde. Claire schlägt Dogen vor, er solle jemanden schicken, den „Samuel“ nicht töten würde: also einen Kandidaten. Kate, James und Jin sind schon länger weg. Jack und Hurley wurden von Jacob in Sicherheit gebracht: bleibt nur Sayid. Wie bei Saruman dem Weißen soll Sayid darauf achten, dass MiB nicht das Wort an ihn richten kann – er muss ihn vorher umbringen. Dogen schickt Sayid also mit einem überdimensionalen japanischen Küchenmesser auf Rauchmonsterjagd. Noch ein paar Worte zu Claires Gespräch mit Dogen und ähnlichen Dialogen im Rest der Folge: es wird weiterhin kategorisch vermieden „Ihn“ beim Namen zu nennen. Sie sprechen von „Ihm“ (kommt euch das auch so bekannt vor?) mal als „an angry man“ („ein verbitterter/zorniger Mann“) oder „a man in the jungle“ („Ein Mann im Dschungel“) und dann sogar als „evil incarnate“ („Inkarnation/Personifizierung des Bösen“). Wie immer also der Name dieser Person lautet, er würde uns etwas verraten. Als Grund dafür gibt es zwei Möglichkeiten: der Name ist uns aus der Serie schon längst bekannt und beim Mann in Schwarz handelt es sich keineswegs um einen Unbekannten. Oder: der Name ist historischen oder mythologischen Ursprungs und jeder findige Fan könnte anhand des Namens ein großes Puzzelstück aufdecken. Ich denke nicht, dass es auf so etwas banales wie „Satan“, „Luzifer“ oder „Tod“ hinauslaufen wird. Und selbst wenn „sein“ Name Samael ist, ist er dies wohl eher symbolisch und nicht im Sinne des realen Erzengels und Dämons. Vielleicht handelt es sich bei dem Mann in Schwarz ja auch um Imhotep. Nein, nicht den Knilch aus „Die Mumie“ und „Die Mumie kehrt zurück“. Ich meine die historische Persönlichkeit: ein Baumeister, Schriftgelehrter, Magier und Ratgeber des Pharaos. Später erlangte Imhotep sogar den Status eines Gottes, was einzigartig in der Geschichte ist, da hier tatsächlich ein Mensch aufgrund seiner Leistungen und nicht etwa seiner Abstammung einen Gottstatus erlangte. Ist aber nur so ein Gedanke.

Dogen erwähnt gegenüber Sayid, dass „er“ eingesperrt gewesen sei und nun da Jacob fort sei, wäre „er“ frei. Viele mögen jetzt an die Hütte und den durchbrochenen Aschekreis denken, doch wäre „Samuel“ in der Hütte gefangen gewesen, wer sollte dann das Rauchmonster in den vorigen Staffeln gewesen sein? Außer der Bannkreis war schon längst zerstört als Oceanic Flug 815 abstürzte. Wahrscheinlicher ist aber wohl, dass Jacob oder jene andere Person, die laut Ilana die Hütte benutzt habe, den Bannkreis zog, um MiB draußen zu halten und die Insel selbst das Gefängnis ist.

Sayid geht also los auf Gewitterwolkenjagd und macht falsch, was man nur falsch machen kann: Er lässt „Samuel“ sprechen. Dann greift er ihn mit dem Dolch an und stellt fest, dass bei dem Mann in Schwarz wohl nicht funktioniert, was bei Jacob funktioniert hat. Dies wäre mal wieder ein Indiz dafür, dass Jacob und „Samuel“ doch nicht so recht vom selben Schlag sind. Der Mann in Schwarz behauptet, Dogen habe Sayid geschickt und ihm diesen Auftrag erteilt, weil er gehofft hätte, MiB würde Sayid dann töten, weil er Sayid schließlich schon einmal von jemandem töten lassen wollte (von Jack). Ich denke: sowohl Dogen als auch der Mann in Schwarz sagen teilweise die Wahrheit, verheimlichen beide aber einen ganz entscheidenden Punkt: Sayid ist ein Kandidat und weder Dogen noch der Mann in Schwarz dürfen ihn töten. Würde einer von ihnen es dennoch tun, hätte er gegen die Regeln verstoßen und der Kampf wäre vorbei. Sowohl Dogen als auch „Samuel“ benutzen Sayid in der Hoffnung, der jeweils andere würde ihn töten oder Sayid würde den Gegner ausschalten – egal wie es ausgeht: man hätte gewonnen. Hier zeigt sich aber, dass der Mann in Schwarz um einiges cleverer ist als Dogen, da er Sayid gewisse Informationen offen legt und so eine Vertrauensbasis schafft. Mich erinnert das Ganze etwas an das Gespräch zwischen Charles und John in Tunesien.

„Samuel“ verspricht Sayid, er könne ihm jeden Wunsch erfüllen, wenn er ihm dafür einen Gefallen täte. Hier möchte ich mal etwas nach vorne springen zu dem, was Dogen Sayid später erzählt. Denn daran zeichnen sich sehr klar die Verhandlungsstrategien und –Muster der beiden Kontrahenten Jacob und „Samuel“ ab. Jacob macht ein konkretes Angebot über die Heilung eines geliebten Menschen (Juliet, Dogen) oder der Person selbst (Ilana). An dieses Angebot knüpft er die Bedingung, dass man ihm auf die Insel folgen und sich in seine Dienste stellen muss. Manche Menschen lenkt er aber auch auf die Insel und versucht sie dann für sich einzuspannen (Oceanic-815-Überlebende, Ben). Auf jeden Fall ist Jacob sehr konkret bei seinen Deals, stellt die Menschen vor eine Wahl und bindet an sein Geschenk ein Opfer. Wie so oft heiligt bei Jacob der Zweck die Mittel, denn die sind offenkundig recht fragwürdig, obgleich sie weder den freien Willen ignorieren noch irgendwelche Luftschlösser sind. „Samuel“ hingegen wäre ein guter Politiker, denn er verspricht erst mal alles mögliche ohne daran mehr zu knüpfen als, dass man die Insel mit ihm verlässt: also genau das Gegenteil von dem, was Jacob tut. Jacob will die Menschen auf die Insel holen, „Samuel“ will sie mit ihnen verlassen. Jacob legt die damit verknüpften Folgen offen, „Samuel“ bleibt selbst in der Erfüllung der Wünsche vage und hält sich wie üblich ein Hintertürchen offen. Und jetzt überlegen wir mal, was sich jeder der Kandidaten wohl wünschen würde, wenn er könnte?

Beginnen wir mit Claire und Sayid, denn von denen wissen wir, was sie sich gewünscht haben: Claire will mit Aaron wieder vereint sein und Sayid möchte Nadia lebendig und wohlauf sehen. Was würde Kate sich wünschen? Freiheit. Hurley? Vermutlich für seine Freunde da zu sein. Auch, wenn er tot ist: John? Ein Leben mit Helen und eine gute Beziehung zu seinem Vater. Jack würde sich wohl wünschen, ein besserer Vater zu sein, als es sein eigener war. Sun und Jin wünschen sich einander. Ben würde sich vermutlich einfach Normalität herbeisehnen und James wahrscheinlich auch. Dogen würde mit seinem Sohn vereint sein wollen. Es ist mittlerweile wohl jedem klar, worauf das hinausläuft. All das ist im Flash-Sideways-Szenario erfüllt. Und mehr noch: Die Insel liegt auf dem Meeresgrund und folglich ist kein Mensch auf ihr mehr am Leben. Es ist also klar, was uns suggeriert werden soll: „Samuel“ hat allen ihre Wünsche erfüllt. Aber sind sie damit glücklicher? Nicht wirklich oder denkt hier wer Sayid würde die wenigen Monate mit Nadia gegen ein Leben ohne sie ernsthaft tauschen wollen? Ist Locke damit besser dran, nie auf der Insel gewesen zu sein und noch immer im Rollstuhl zu sitzen? Würde Ben sein Leben als geschichteunterrichtender Kaffeekocher gegen die erfüllte Existenz in Jacobs Dienst wirklich tauschen wollen? „Samuel“ mag ihnen geben, was sie wollen. Jacob gibt ihnen, was sie brauchen. Außer (und das ist kein so unwahrscheinliches „außer“): Darlton wollen uns mal wieder auf eine falsche Fährte LOCKEn und die LAX-Timeline hat mit Smokeys Versprechen soviel zu tun wie ich mit Synchronschwimmen: NICHTS.

Sayid kehrt zumindest mit seiner Botschaft in den Tempel zurück und wiedereinmal geht es um die Entscheidung. Nehmen die Anderen die rote oder die blaue Kapsel... sorry, falscher Film. Nein, die Wahl, vor die sie der MiB stellt, ist: Bleiben sie bis Sonnenuntergang in den vermeintlich sicheren Tempelmauern oder schließen sie sich Smokey an. Dies ist weniger eine Frage des Gewissens als des Glaubens, denn beides könnte tödlich enden: bleiben sie im Tempel sind sie eigentlich in Sicherheit, doch Smokeys Drohung sagt etwas anderes aus. Verlassen sie den Tempel, weil sie Sayids Botschaft Glauben schenken, könnte sich dies als Falle entpuppen, um alle vor die Tür zu locken und dort kalt zu machen. Tatsache ist: „Samuel“ hat mal wieder die Wahrheit gesagt und aus seiner Sicht tut er das wohl recht häufig. Da Jacob ihn gefangenhielt, sieht er in Jacobs Gefolge vielleicht wirklich auch Gefangene. Wer weiß schon, ob der Mann in Schwarz nicht einst ein ganz ähnliches Angebot von Jacob unterbreitet bekam wie Dogen?

Kate ist derweil zurück im Tempel und verlangt vom Klon des verstorbenen Komponisten, Gitarristen und Mundharmonikaspielers der Beatles, er solle sie zu Claire bringen. Die wohnt nun in einem hübschen, adäquaten Erdloch, was bei mir die Frage aufwirft, wo der Psychokiller mit der Körperlotion steckt. Kate erzählt Claire die Wahrheit über Aarons Verbleib und zum Pech aller Kate-Hasser macht Claire ihre Drohung nicht war... könnte allerdings daran liegen, dass sie in einem Erdloch sitzt und da nicht einmal Kabelfernsehen geschweige denn ihre Axt oder eine Knarre hat. Als Kate klarstellt, sie sei zurückgekommen, um Claire zu retten, erwidert diese, während Kate schon von Lennon weggezerrt wird: „I'm not the one that needs to be rescued, Kate. He's coming, Kate! He's coming and they can't stop him!“ („Ich bin es nicht, die gerettet werden muss, Kate. Er kommt, Kate! Er kommt und sie können nichts dagegen tun!“) Zumindest der erste Teil klingt ähnlich wie das, was Juliet zu Jack nach der Rückkehr gesagt hat.

Sayid bringt das Messer zurück, lässt Dogen seine Geschichte erzählen und was dann folgt ist eine der großartigsten Szenen, die ich je gesehen habe. Sayid tötet Dogen und ebnet so dem Rauchmonster den Weg. Wie eine Naturgewalt fegt es alles im Tempel mit sich fort, tötet alle verbleibenden Anderen. Doch dann jagt eine Überraschung die nächste: Claire sagt Kate, sie solle sich mit ihr in der Grube verstecken und rettet ihr so das Leben, obwohl sie doch vor kurzem noch vorhatte, Kate umzubringen. Plötzlich tauchen Ilana, Sun, Frank und Ben im Tempel auf und ausgerechnet Ben, der wahrlich allen Grund hätte, Sayid den Tod zu wünschen, geht in die Höhle des Löwen zurück, um Sayid zu retten. Ben beweist also einmal mehr, dass seine Waage letztlich richtig ausgerichtet ist. Aber Sayid hat seine Wahl getroffen und zu den Klängen von „Catch a Falling Star“ versammelt sich das Heer des Mannes in Schwarz. Jacob hat nur noch wenige, auf die er zählen kann: Hurley, Jack, Ben, Ilana, Frank, Sun, Miles und vermutlich noch Jin und Richard irgendwo da draußen. Ob Kate aber nun im Gefolge des Man in Black bleibt, steht noch in den Sternen – auch in denen, die fallen, und ein fallender Stern ist doch ein vielsagendes Bild, weshalb ich damit auch schließen möchte.