Samstag, 10. Oktober 2009

Was lange währt wird endlich... was auch immer^^

Tag 17 & 18 – 8.10.2009 und 9.10.2009:

Heute gibt es nun endlich mal zwei Reviews zum Preis von einer, weil die Folgen so nahtlos ineinander übergehen, dass mir ein zusammenhängender Text ganz sinnvoll erscheint. Das war die gute Nachricht. Die schlechte ist: Sonderlich viel, was nicht schon tausend mal hin- und hergewälzt wurde, habe ich nicht wirklich gefunden. Besonders bei „Special“ (die Folge mit der geilsten deutschen Titelübersetzung überhaupt: „Eisbär“ – kauft euch mal ein Wörterbuch, ihr Pfeifen!) hab ich zu meiner eigenen Überraschung ausgesprochen wenig notiert, was auch daran liegen könnte, dass ich der Folge zugegebenermaßen nicht sehr aufmerksam gefolgt bin. Nichtsdestotrotz steigen wir mit „Special“/„Eisbär“ ein:

Die Episode dreht sich, wie zumindest der Originaltitel andeutet, um das kleine Wunderkind Walt. Er ist aber nicht das erste „Wunderkind“, das auf diese Insel kommt und Probleme mit seinem Vater hat. „He's been through more than most people in their entire lifetimes. Maybe you haven't spent enough time with him to see it, but he's different.“ („Er hat mehr durchgemacht als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Vielleicht hast du es noch nicht realisiert, weil du nicht genug Zeit mit ihm verbringen konntest, aber er ist anders.“) Hätte man das nicht genauso gut über Ben sagen können? Würde das nicht Bens und Jacobs Interesse an Walt erklären: er ähnelt Ben in vielen Punkten – willensstark, intelligent, rebellisch, introvertiert. Beide haben ihre Mutter verloren, kommen mit ihren strengen Vätern nicht aus (okay, man kann Michael nicht mit Roger gleichsetzen, denn der war einfach ein niederträchtiger Bastard), sind als Kinder auf die Insel gekommen und suchen sich dort andere Vaterfiguren – Jacob bzw. John. Unter Umständen wurde Walt unter anderem auch entführt, um Michael zu testen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Ben sich in Walt wiedererkennt, bis Juliet ihm das mit den Vögeln zeigt (Mobisode „Room 23“), denn da scheint auch Ben geschockt. Erkennt er hier in Walt ein Potential zum Bösen und ist daher vielleicht auch ganz froh, wenn er ihn wieder los wird? Wird er sich vielleicht gedacht haben: „Also, ich hab ja schon einiges fertig gebracht, aber als 10jähriger hab ich keine Vögel gekillt!“ (anders als gewisse Iraker...)

Da aber auch immer wieder Zweifel an Michaels Vaterschaft auftauchen und Jacob sowohl Walt als auch Ben – und wohl auch Aaron – haben will, wäre es da nicht denkbar, dass sie alle drei seine Söhne sind? Der biblische Jakob ist ein Patriarch. Wäre doch möglich, dass unser Jacob in jeder Generation einen Sohn zeugt, der später zum Anführer wird bzw. vielleicht auch mehrere Söhne, die er dann testet und Walt hat diese Tests nicht bestanden. Ben sagt später einmal: „...but we got more than we bargained for when Walt joined us, so I suppose this is what's best.“ („...aber wir bekamen mehr als das, womit wir gerechnet haben, als Walt uns beitrat, daher vermute ich: es ist das Beste so!“ – klingt etwas anders als die Deutsch Synchro, nicht wahr? ;-) ). Auf was sind sie gestoßen, womit sie nicht gerechnet haben? Für diese und ähnliche Überlegungen werden wir wohl noch genug Zeit haben, wenn Walt erst einmal entführt wurde... klingt ein bisschen zynisch, ich weiß.

Zu Beginn der Folge sucht Michael seinen Sohn mal wieder und findet ihn bei Locke und Boone bei Messerwurfübungen. Oh, apropos: Liebe Kinder, bitte nicht zu Hause nachmachen! Jagdmesser sind keine Spielzeuge! Interessanterweise ist auch hier mal wieder Vincent anwesend – wie so oft, wenn merkwürdige Dinge passieren. Am Ende kommt noch raus, dass Vincent auch eine Gestalt von sonst wem ist – der Schatten in der Hütte sah für mich immer schon aus wie ein Werwolf bzw. Werköter^^. Michael ist mal wieder sauer auf Locke und „seinen Jungen“. Wir sehen: der alte Glatzkopf schart fleißig seine Jünger um sich: Charlie, Boone, Walt! Dennoch respektiert er Michaels Wunsch und verteidigt Michael sogar gegenüber Walt. Es wundert schon, dass Locke auch positiv über Väter im Allgemeinen spricht, wenn man bedenkt, was er mit seinem erlebt hat.

Michael will zumindest runter von der Insel, weil er nicht zulassen möchte, dass sein Sohn dort aufwächst, und beginnt mit dem Floßbau: „No, man, this us taking control of our destiny.“ („Nein, Mann, wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand.“) Gegenüber Locke wird Michael immer paranoider. Aber das ist wohl nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass er zehn Jahre lang darum kämpfen musste, Zeit mit seinem Sohn verbringen zu dürfen. Michael hat einfach Angst, dass Locke ihm Walt genauso wegnimmt wie einst Susan. Wo wir gerade bei Susan Lloyd sind: Was für ein eiskalt berechnendes Miststück! Es geht mir nicht in den Schädel, wie ein Mensch so egoistisch und falsch sein kann. Das Schärfste war ja, als sie Michael vorhält, er würde nur um Walt kämpfen, weil er ihn bei sich haben will und nicht weil es das beste für Walt wäre. Pack dir mal an die eigene Nase, du dumme Gans! Die lügt und hintergeht, wenn sie nur den Mund aufmacht und tut dabei als könnte sie kein Wässerchen trüben. Dabei sorgt sie dafür, dass Michael immer klein bei gibt. Die Folge: Als er dann doch vor Gericht zieht, wird ihm alles negativ ausgelegt – die bezahlte Krankenhausrechnung, dass er nicht eher tätig wurde usw.. Betrug und Verrat ziehen sich wiedereinmal wie ein roter Faden durch diese Folge.

Aber auch ein anderes Thema, das in der nächsten Folge im Mittelpunkt steht, spielt hier eine Rolle: Die Verantwortung, die man hat, wenn man für jemanden sorgen will/muss. Brian entzieht sich dieser Verantwortung und schiebt Walt zu Michael ab. Der muss nun auf der Insel lernen, Vater zu sein. Viele Charaktere bei „Lost“ fühlen sich für andere verantwortlich oder wollen gar für sie verantwortlich sein und für sie sorgen: Boone glaubt, auf Shannon aufpassen zu müssen; John und Jack fühlen sich für all ihre Leute verantwortlich und werden es so auch; Charlie will Claire beschützen, die ihrerseits später für Aaron sorgen muss, womit Claire wiederum etwas mit Michael gemein hat: beide sind tatsächlich für jemanden verantwortlich. Sowohl Michael als auch Claire werden von der Insel in ihre Elternrolle gezwungen. Anders verhält es sich wiederum bei Ben oder Kate, die sich bewusst dafür entscheiden, für Alex bzw. Aaron zu sorgen. Damit wären wir auch beim Thema Adoption angelangt: Alex wurde von Ben adoptiert; Susan überredet Michael dazu, dass Brian, der wiederum selbst dazu gedrängt wurde, Walt adoptieren kann; Aaron sollte bereits vor dem Flug Adoptiveltern übergeben werden und landet am Ende bei Kate; John durchwanderte sogar mehrere Pflegefamilien; James wuchs vermutlich ebenfalls bei Adoptiveltern oder Verwandten auf und so weiter und so fort... . Die Liste ist lang.

Kommen wir nun zu dem immer wieder diskutierten Thema: Walt und der Comic. Ich weiß, was ihr jetzt denkt: „Kommt jetzt wieder die Story mit dem manifestierten Bruder von Knut?“ Nein, zumindest noch nicht. Walt nutzt den Comic als Zerstreuung und als er sagt, ihm würden die Bilder gefallen, beginnt Michael, auf ihn einzugehen. Die beiden haben endlich einen Berührungspunkt gefunden und umso tragischer ist es doch, dass Susan Walt die Karten von Michael vorenthalten hat. Doch als Walt sich wieder sperrt und signalisiert, dass er seinerseits nicht bereit ist, auf seinen Vater einzugehen, nimmt Michael den Comic und wirft ihn ins Feuer. Schon komisch, was in dieser Serie so alles ins Feuer geworfen wird: Comics, harte Drogen, teppichknüpfende Pseudogötter, die gerne Schokoriegel, Lunchboxen, Gitarrenkoffer und Kugelschreiber verschenken. Man verbrennt Hütten, zündet VW-Busse an und bringt ganze Schiffe, Häuser, U-Boote, Luken, Zelte und sogar Naturkundelehrer zum explodieren. Feuer ist ein allgegenwärtiges Element bei „Lost“ und wird vor allem von einer Gruppe vorwiegend genutzt: Jacobs Gefolge. Die Anderen bevorzugen Fackeln und Petroleumlampen statt Taschenlampen und greifen das Strandlager mit Brandpfeilen an. Jacob selbst stirbt (vermutlich) im Feuer und doch lebt er ständig in dessen Schein unter der Statue. In der Hütte wird Bens Laterne umgestoßen und auch hier entbricht ein Feuer. Feuer hat in der Mythologie oft nicht nur zerstörenden Charakter. Feuer ist Leben, Fortschritt. Jacob bringt die Menschen zur Insel, wie Prometheus ihnen einst das Feuer brachte und beide wurden von ihresgleichen dafür verachtet und bestraft. „Samuel“ kritisiert den destruktiven Charakter der Menschen und Jacob erwidert: „Es endet nur einmal. Alles, was bis dahin passiert ist nur Fortschritt!“ Die Geschichte hat uns gelehrt, dass der Fortschritt stets auch mit Opfern einhergeht: Ob man nun Dampfmaschinen baut und so die Industrialisierung einläutet oder Atome spaltet. Ich glaube auch nicht, dass Jacob – wie Ben einst behauptete – Technologie hasst. Wenn dem so wäre, würde er kaum Taxi fahren und Automaten benutzen. „Samuel“ hingegen verachtet den Fortschritt höchstwahrscheinlich – „Samuel“ ist Zeus und Jacob ist Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl, um es den Menschen zu geben. Weitere mythologische Aspekte des Feuers würden den Bezug zu Jacob nur bestärken: spirituelle Reinigung, Wiedergeburt und Leben, Abwehr gegen Dämonen, Wegweiser und Lichtspender.

Zurück zu „Special“: Walt haut später erneut von seinem Vater ab und Vincent bemerkt irgendetwas im Dschungel und sucht das Weite. Man könnte mutmaßen, er sei vor dem Eisbär geflohen, aber wir reden hier ja von Vincent und dieser Hund macht nichts ohne Hintergedanken. Später findet Walt sich dann tatsächlich Auge in Auge mit dem Eisbär und sucht dort Schutz, wo man auch vor dem Monster am besten Schutz sucht: Die Wurzeln von Banyan-Feigen. Ich denke nicht, dass Walt irgendetwas manifestiert hat oder hätte manifestieren können. Ich glaube viel eher, dass er dazu in der Lage ist, Tiere anzulocken, wenn er wütend ist und an sie denkt: das war bei den Vögeln bei Raum 23 so, das war bei dem Kuckuck in Australien so und auch hier ist es nicht anders.

Da ich nun gerade bei dem Bronzekuckuck bin, erst etwas zu dem und dann zu den anderen Rückblenden. Schon komisch, dass Walt ausgerechnet einen Kuckuck wählt oder? Ein Vogel, der seine Eier in fremde Nester legt und die Eltern ausnimmt, während er die anderen Küken aus dem Nest schubst. Ich denke: Da könnt ihr euch selbst einen Reim drauf machen ;-).

Was ich in den Rückblenden dieser Episode sonst noch ganz interessant fand, war Michaels Unfall, der frappierende Ähnlichkeit mit Nadias Tod hat. Abgelenkt, das Auto kommt und es knallt.

Kommen wir zu Claire und schlagen somit auch direkt die Brücke zu „Heimkehr“. Charlie hat Claires Tagebuch und liest daraus vor: „I had that weird dream again, the one with the Black Rock I can't get away from. I try to leave it but it won't let me." („Ich hatte wieder diesen merkwürdigen Traum – den mit der Black Rock/ dem Schwarzen Felsen, von der/dem ich nicht entfliehen kann. Ich versuche zu entkommen, aber es lässt mich nicht!“) Warum hat sie diesen Traum? Ich stelle jetzt mal wieder eine gewagte Theorie auf: Claire war an Bord der Black Rock. „You'll find me in the next life, if not in this one.“ Ist ein häufig auftauchender Satz in „Lost“ und Claire kann von der Black Rock eigentlich nur aus einem früheren Leben wissen. Ebenso wie auch John das Rauchmonster malte ohne je zuvor auf der Insel gewesen zu sein. Die Black Rock war ein Sklavenschiff – „I try to leave it but it won't let me.“ Warum sonst sollte man uns die Geschichte um die Black Rock so lange vorenthalten, wenn an Bord nicht irgendetwas passiert wäre, was die Lösung beinhaltet. Bringt Jacob vielleicht sogar wieder und wieder die selben Menschen zur Insel?

Locke und Boone suchen jedenfalls mal wieder nach etwas und finden das, wonach sie aufgehört hatten zu suchen: Claire. Es ist schon bemerkenswert, dass Vincent selbst dann Menschen irgendwohin führen kann, wenn er gar nicht da ist. Und plötzlich sind wir auch schon in der nächsten Episode: „Heimkehr“/“Homecoming“ und Claire ist mal wieder Homecoming-Queen (Achtung! Insider für „Heroes“-Fans^^). Sie kann sich an nichts erinnern, was im Stab passiert ist und wird auch darüber im Dunkeln gelassen, dass Ethan droht jeden Tag einen der Überlebenden zu töten. Als Scott am nächsten Morgen tot am Strand liegt, scheint der Fall klar. Aber er ist er es? Haben wir irgendeinen Beleg dafür, dass Ethan Scott tatsächlich getötet hat? Das einzige, was dafür spricht, ist Ethans Drohung, die er aus der Verzweiflung heraus äußert, dass er Claire und vor allem ihr Baby eigentlich retten möchte. Für die Losties gilt eh’ schon: „Ethan is the bad guy!“ („Ethan ist der Böse!“) Doch wie hätte er sich den Losties unbemerkt vom Meer aus nähern können? Möglichkeit eins: Er hat das Motorboot genommen – unwahrscheinlich, weil das eigentlich zu laut ist, um nicht gehört zu werden, wenn die Losties ohnehin schon in Alarmbereitschaft sind. Möglichkeit zwei: Galaga – die ist zwar lautlos, käme aber an den seichten Strand kaum nahe genug heran. Außerdem kann ein U-Boot unmöglich alleine bedient werden. Wir müssen aber davon ausgehen, dass Ethan ohne Rückendeckung operierte, denn seine Verzweiflung rührt auch von dem Druck, den Ben ihm macht. Möglichkeit drei: er ist geschwommen oder hat ein Kanu benutzt. Scheint mir noch am wahrscheinlichsten, dürfte aber zeitlich eng geworden sein. Etwas anderes macht Ethan als Täter aber viel unwahrscheinlicher: „His neck was broken, his arms, all the bones in his fingers.“ („Sein Genick ist gebrochen, seine Arme, jeder einzelne Knochen in seinen Fingern!“) Wie soll ein einzelner Mensch das fertig bringen, ohne dabei bemerkt zu werden? Der von Hurley in den Raum geworfene Unfall ist natürlich noch viel unwahrscheinlicher. Aber kennen wir nicht jemand oder vielmehr etwas, das sich theoretisch fast lautlos bewegen könnte und Knochen zerschmettert und bricht wie Zahnstocher? Alles ist so darauf ausgelegt, in den Anderen die Bösen zu sehen, dass man sich doch fragen muss: kommt nicht ein anderer Täter in Frage? Bislang hat sich jede feindselige Handlung der Anderen aus anderen Notwendigkeiten heraus als nachvollziehbar, wenn nicht gar vertretbar, herausgestellt. Doch der Mord an einem völlig unbeteiligten, unschuldigen Mann passt in keinster Weise in ihr Muster. Die Anderen ziehen Täuschung, Einschüchterung und Manipulation dem offenen Einsatz von Gewalt immer vor und in dieser ersten Staffel wird uns mehr als einmal suggeriert, die Anderen hätten versucht einen Losties zu töten oder ihn gar tatsächlich umgebracht, ohne dass dafür irgendein Beweis erbracht würde. Der einzige Mord eines Anderen an einem der Überlebenden, der aus kalter Berechnung heraus begangen wurde, war der Mord Goodwins an Nathan. Natürlich ist es gut möglich, dass Ethan getan hat, was man ihm anlastet und vielleicht wurde er auch genau deswegen von Ben fallen gelassen und erhielt keine Rückendeckung. Doch ich denke: es gibt begründete Zweifel daran, zumal man dem Zuschauer suggerieren wollte die Anderen seien „die Bösen“. Die Handlung um Claires Entführung hat sich mittlerweile Großteils als Mindfuck herausgestellt. Deshalb sollte man am Rest auch seine Zweifel haben.

Nachdem Scott tot ist, will Jack nun doch die Waffen nutzen. Vorher hatte er noch ein verdammt gutes Argument dagegen: „I am not putting guns in untrained hands.“ („Ich werde keine Waffen in ungeübte Hände legen!“) Welche ungeübten Hände? Johns? Sayids? Sawyers? Kates? Oder seine eigenen? Jack ist nämlich der einzige, der eine Waffe kriegt, ohne damit umgehen zu können! Claire erfährt als einzige von nichts und wird in der Gruppe zur Aussätzigen, bis Shannon sie einweiht. Aber eine junge Frau, die wie Sayid es nennt „very pregnant“ („sehr schwanger“) ist, muss man natürlich mit Samthandschuhen anfassen. Für mich bleibt da nur eine Frage offen: „Sayid! Wie kann man...also eigentlich ja Frau... wie kann Frau ‚sehr schwanger’ sein?“

Claire meldet sich also freiwillig als Köder und wir wissen alle wie das ausgeht. Aber auch hier muss man ein wenig auf die Details achten, denn die werfen einige Fragen auf: Jack geht alleine auf Ethan los. Warum ist Jack Ethan plötzlich so haushoch überlegen? Bei ihrem letzten Faustkampf hat Ethan den Waldboden mit Jack aufgewischt. Brüllt Sayid deswegen ständig „We want him alive?“ („Wir wollen ihn lebend?““), weil er nicht aus der Übung kommen möchte? Und wieso gehen sie dieses Risiko ein, wenn John schon zu Beginn der Folge mutmaßte „What if Ethan isn’t alone?“ („Was wenn Ethan nicht alleine ist?“).

Gucken wir uns jetzt noch mal die Rückblende an. Wiedereinmal geht es um gezielte Manipulation und Betrug. Doch Charlie hat Probleme eine Aktion durchzuziehen, die so niederträchtig ist, dass man sie allenfalls Anthony Cooper zugetraut hätte. Für mich ist die interessanteste Figur in der Rückblende allerdings Lucys Vater, Francis Heatherton, der Charlie nicht nur einen Ausweg zeigt, sondern ihm – ohne es zu wissen – ins Gewissen redet: „Well, I was married, Lucy was on the way. Her mom, god rest her soul, wanted me to keep trying, but I was wanting to be more practical, responsible, I guess. You know, a man has to provide, take care of his family. A man has to think about the future.“ („Nun, ich war verheiratet, Lucy war unterwegs. Ihre Mutter, Gott schütze sie, wollte, dass ich am ball bleibe, aber ich wollte etwas praktischeres, verantwortungsvolles machen, denke ich. Weißt du, ein Mann hat sich einzubringen, für seine Familie zu sorgen. Ein Mann muss an die Zukunft denken.“) Außerdem dachte ich: Könnte Francis Heatherton nicht unser Ökonom sein? Er ist wertkonservativ und altmodisch, Europäer, vermögend und vor allem: bislang nur einmal aufgetaucht. Denn Charles Widmore oder Paik hinter dem Ökonomen zu vermuten, halte ich doch für etwas billig. Wie gesagt: Nur so eine Eingebung^^

Der letzte Satz aller Rückblenden dieser Folge sollte auch noch Erwähnung finden: „You'll never take care of anyone!“ („Du wirst niemals für irgendwen sorgen!“) Danach sehen wir Losties – vor allem Paare – die einander im Arm halten oder sonst irgendwie ihre Sorge umeinander bekunden. Die Szene schließt mit Claire, die in Charlies beisein einschläft.


Freitag, 9. Oktober 2009

Nur damit ihr auf dem Laufenden bleibt

Ich hab gestern Abend "Eisbär" und heute morgen "Heimkehr" geguckt. Da ich in beiden nicht wirklich viel gefunden habe, was nicht schon fünfzehnmal durchdiskutiert wurde, und mir manchmal Sachen auch erst im Nachhinein einfallen, werden die Reviews zu beiden gemeinsam entweder gegen Abend oder spätestens morgen Vormittag kommen. Was ich in jedem Fall mal näher beleuchten werde, sind folgende Themen:
  • Was macht Walt "besonders"? Warum sind Ben, John und Jacob an ihm interessiert?
  • Feuer als Leitmotiv
  • Susan Lloyd
  • Vincent
  • Ethans Motivation
  • Mindfucks bezüglich der Anderen
  • Verantwortung für andere übernehmen ("Take care")
Auch eine neue Umfrage kommt noch und um die "Read more"-Funktion und vielleicht ein, zwei andere Kleinigkeiten kümmer ich mich demnächst auch mal.
Da die neuen Folgen ja wohl doch erst im Februar anlaufen, hab ich zum Glück wieder etwas Luft. Das ist insofern ganz gut, dass es nicht zum Stress ausartet, denn unter Zeitdruck ist selten was gutes entstanden. Der Nachteil: Wir müssen nun mal länger auf Staffel 6 warten, doch bekanntlich ist Vorfreude ja die schönste Freude.

Und all jenen, die noch schulpflichtig sind und heute Ferien bekommen (haben), wünsche ich natürlich: Schöne Ferien. Aber fliegt besser nicht mit Oceanic Airlines in Urlaub... obwohl, wenn ich es mir recht überlege: Fliegt wenn überhaupt nur mit denen^^

Donnerstag, 8. Oktober 2009

"He's the only one here that has a clue to what's going on. "

Tag 16 – 7.10.2009:

Puh, ich hatte vergessen wie gut und vielschichtig die Folge ist und weiß jetzt wieder gar nicht, wo ich anfangen soll. Was mir aber in allen Folgen immer mehr bewusst wird: Es geht ständig um Verrat und Betrug. Die hintergehen sich alle permanent gegenseitig und wenn dann ab Staffel 2 einer kommt, der das besser drauf hat, ist er gleich der große Lügenbaron von Jacob’s Island. Na ja, sei’s drum.

Boone und Locke verschwinden also ständig in den Dschungel und kommen ohne Wildschwein zurück. Römer mischen sie auch nicht auf. Also, was machen die zwei Hobby-Gallier den ganzen Tag da draußen? Shannon, Hurley und Kate werden langsam misstrauisch. Bereits in diesen ersten paar Minuten haben sich einige Parallelen und bemerkenswerte Zitate versteckt. Boone beobachtet Shannon und Sayid aus der Entfernung – bei deren Unterhaltung unter anderem der Satz: „Another mysterious force of the island revealed“ („Eine andere mysteriöse macht der Insel wurde offenbart!“). Eine ähnliche Szene sehen wir etwas später mit Jack und Kate, allerdings merkt die recht schnell, dass Jack sie beobachtet.

Außerdem wird bereits hier überdeutlich: Boone ist regelrecht besessen von seiner Schwester und will sie vor der Umwelt beschützen und umgekehrt. Deshalb droht er Sayid auch und behauptet danach, es sei ein gutgemeinter Rat gewesen. Die beiden gehen mit den Worten auseinander: „See you later“ – „You know where to find me.“ („Ich seh’ dich später“ – „Du weißt ja, wo du mich findest!“) Ja, warum denn nicht gleich: „One of these days, sooner or later... I'm going to find a loophole, my friend“ – „Well, when you do, I'll be right here.“ („Eines Tages, früher oder später, werde ich ein Schlupfloch finden, mein Freund!“ – „Wenn es soweit ist, werde ich genau hier sein!“). Und nein, das war zwar der erste, aber nicht der letzte Jacob-Samuel-Vergleich für heute. Auch wenn ich nicht ernsthaft davon ausgehe, dass die Konstellation sich absichtlich ähnelt (zumindest hier nicht), konnte ich nicht umhin, sofort an die zwei übernatürlichen Streithähne zu denken.

Boone zieht zumindest mit John von dannen, um „Wildschweine jagen zu gehen“. Hurley hat ganz andere Probleme und ich muss sagen: Er tut mir echt leid, denn Magen-Darm-Beschwerden aller Art – und Durchfall besonders – sind im wahrsten Sinne des Wortes schon beschissen genug, wenn man in der Zivilisation ist, aber auf so einer Insel ohne Klo und vor allem Klopapier... . Eigentlich erstaunlich, dass den anderen dieses Problem in keinster Weise zu schaffen zu machen scheint. Gerade Charlie müsste aufgrund seines Entzug alle halbe Stunde in die Büsche rennen. Ebenso wundert es mich, dass Jack in seinem riesigen Medikamentenvorrat kein Loperamidhydrochlorid (Wirkstoff, der etwa in Imodium oder Lopedium enthalten ist) hat, denn so was nimmt man doch viel eher mit auf Reisen als Antibiotika. Ich weiß: eigentlich alles nicht sehr erwähnenswert, aber mich hat das schon vor vier Jahren gewundert.

Aus seiner Not heraus versucht Hurley also noch einmal mit Jin zu reden, was sich – wie zu erwarten – als problematisch erweist. Auch wenn die Story um den gemeinsamen Angelausflug von Jin und Hurley für die Handlung nicht sehr relevant ist, stellt sie doch eine sehr humorvolle Abwechslung da und ist obendrein eine Art Lehrstunde in Sachen Völkerverständigung. Ein sehr gelungen eingesetztes erzählerisches Mittel sind auch die Szenenwechsel von Kate und Sun zu Jin und Hurley und die dabei aufgebauten Gegensätze. Obwohl Sun Kates Sprache versteht, kommunizieren Hurley und Jin eigentlich besser miteinander. Besonders gelungen ist die letzte dieser Episoden. Sun hat Kate gerade darauf eingeschworen ihr Geheimnis nicht zu verraten, da wird zu Hurley geschnitten, der im Sand sitzt und Jin zuruft: „You sure you don't speak English? Cuz there's a rumor that you do… Your wife's hot.“ („Bist du dir sicher, dass du kein Englisch sprichst? Denn da geht so ein Gerücht um... deine Frau ist heiß!“).

Widmen wir uns nun aber den drei zentralen Figuren dieser Episode. Boone, Shannon und John. An der Luke erzählt John Boone die Story von Michelangelo: „Ludovico Buonarrati, Michelangelo's father! He was a wealthy man. He had no understanding of the divinity in his son, so he beat him. No child of his was going to use his hands for a living. So, Michelangelo learned not to use his hands. Years later a visiting prince came into Michelangelo's studio and found the master staring at a single 18 foot block of marble. Then he knew that the rumors were true: that Michelangelo had come in everyday for the last four months, stared at the marble, and gone home for his supper. So the prince asked the obvious: ‘What are you doing?’ And Michelangelo turned around and looked at him, and whispered: ‘Sto lavorando’, ‘I'm working’. Three years later that block of marble was the statue of David.“ („Ludovico Buonarroti, Michelangelos Vater. Ein wohlhabender Mann, der kein Verständnis hatte für das Genie seines Sohnes. Er hat ihn verprügelt. Keins seiner Kinder sollte mit den Händen arbeiten, also lernte Michelangelo seine Hände nicht zu benutzen. Jahre später kam ein Prinz in Michelangelos Atelier und fand den Meister sitzend vor einem einzelnen dreieinhalb Meter hohen Marmorblock. Er hatte das Gerücht gehört, dass Michelangelo seit vier Monaten jeden Tag in sein Atelier kam, den Marmor anstarrte und zum Essen wieder heimging. Der Prinz fragte ihn: ‚Was machst du da?’ und Michelangelo drehte sich um, sah ihn an und flüsterte: ‚Sto lavorando’ – ‚Ich arbeite.’ Drei Jahre später war aus dem Marmorblock Michelangelos David geworden.“)

Mir fallen hier zugleich zwei Charaktere ein, zu denen diese Story passt. Zunächst wäre da Ben, ein Wunderkind, das von seinem Vater verprügelt und gedemütigt wurde. In späteren Jahren jemand mit viel Geduld, Ausdauer und Willensstärke. Aber auch Jacob kam mir sofort in den Sinn – wie er da unter dem Fuß sitzt und Jahrhunderte wartet, während er an seinem Teppich arbeitet. Dieses ruhige Dasitzen und Warten, starr und stoisch als sei er selbst eine Marmorskulptur, lassen Jacob ja so übermächtig wirken und als Locke diese Geschichte erzählte, erzeugte das bei mir im Kopf sofort das Bild von Jacob wie er unter seiner Statue sitzt und auf einen Marmorblock glotzt.

Auf dem Rückweg kommt es zwischen Boone und Locke zu einer Auseinandersetzung. Boone möchte den anderen von der Luke erzählen, doch Locke protestiert: „They're not ready. They won't understand it.“ („Sie sind noch nicht soweit. Sie würden es nicht verstehen.“) Boone meint, er müsse wenigstens Shannon einweihen, denn sie sei seine Schwester und klug und besonders in Vielerlei Hinsicht. Da frag ich mich, ob er ihr wohl jemals gesagt hat, dass er so über sie denkt. Locke gibt scheinbar nach, doch im nächsten Moment zieht er Boone Eins mit dem Griff seines Jagdmessers über.

Als Boone wieder zu sich kommt, ist er gefesselt und Locke sitzt neben ihm und rührt zum ersten Mal seine bewusstseinserweiternde Pampe an, die er später in der Schwitzhütte auch selber lutscht. Er schmiert Boone das Zeug in die Haare, denn vielmehr als es sich in die Haare zu schmieren, kann man damit eigentlich auch nicht anfangen und da Locke selbst keine Haare hat... .Danach wirft er ein Messer zu Boones Füßen und lässt ihn alleine zurück.

Als John wenig später Sayid im Dschungel trifft, hat der sich gerade einen Kompass gebastelt und John merkt an, dass er so etwas seit seiner Zeit als Pfadfinder nicht mehr gesehen habe und fügt dann hinzu: „I wasn't the most popular kid.“ („Ich war kein sonderlich beliebtes Kind“). Da sag ich mal: Willkommen im Club, John!

John überlässt Sayid seinen Kompass und der macht damit wenig später eine interessante Entdeckung: der Kompass zeigt nicht nach Norden! „A minor magnetic anomaly might explain a variance of two or three degrees, but not this.“ („Eine kleine, magnetische Anomalie könnte vielleicht eine Abweichung von zwei oder drei Grad erklären, aber das... .!“). Da bringt der Schwan Sayid und seinen Kompass ganz schön ins Rotieren.

Jack scheint mehr an John selbst interessiert zu sein und beschließt anscheinend, diesen merkwürdigen Glatzkopf mal etwas näher kennen zu lernen. Die Szene die dann zwischen den beiden kam, hätte mir die Schuhe ausgezogen, wenn ich im Haus überhaupt welche anhätte. Um die Parallelen auch optisch ersichtlich zu machen, hab ich mal noch ein paar Bilder gemacht und rausgesucht – ihr findet sie hier. Doch auch im Gespräch gibt es viele Übereinstimmungen zu der Eröffnungsszene von „Der Vorfall“. Sowohl Jack als auch „Samuel“ fragen John bzw. Jacob: „Mind if I join you?“ („Stört’s dich, wenn ich dir Gesellschaft leiste?“). In beiden Unterhaltungen sind die selben Themen enthalten: Jack fragt John, der aufs Meer hinausblickt: „Any ships?“ – „Not yet. But I'm patient.“ Das Gespräch zwischen Jacob und „Samuel“ kam nur wegen einem ganz bestimmten Schiff, dessen Ankunft beide beobachteten, zustande. Ganz abgesehen davon sind Warten und Geduld die beiden Dinge, die den Kampf um die Insel maßgeblichen ausmachen. Sowohl Jacob und „Samuel“ als auch John und Jack reden kurz über Essen – bei den einen Fisch, bei den anderen Wildschwein. Besonders bemerkenswert sind aber folgende Passagen: „Samuel“ sagt über die Menschen: „They come. They fight. They destroy. They corrupt. It always ends the same.“ („Sie kommen, Sie kämpfen. Sie zerstören. Sie verderben. Und immer endet es gleich.“) und John: „The most dangerous predator of all.“ („Das gefährlichste Raubtier von allen“). Da ich selbst viel schreibe, weiß ich, dass man als Autor oft Szenen oder Dialoge von besonderer Bedeutung, schon Jahre bevor die Handlung diesen Punkt erreicht hat, im Kopf mit sich rumträgt. Daher sehe ich es trotz den vier Jahren, die zwischen diesen beiden Dialogen liegen, als sehr wahrscheinlich an, dass die vielen Übereinstimmungen alles andere als zufällig sind, denn dazu sind es zu viele. Auch die Beziehung zwischen Jack und John ähnelt der zwischen Jacob und „Samuel“: eine merkwürdige Hass-Liebe. Mal brauchen sie einander und gehen freundschaftlich miteinander um, dann sind sie wieder Todfeinde, weil sie eigentlich die zwei Seiten der selben Medaille darstellen: Gefühl und Verstand!

Aber das ist es noch lange nicht gewesen mit den Anspielungen auf das Staffel-5-Finale: Als Jack Charlie zu Locke befragt, sagt dieser: „Trust him? No offense, mate, but if there's one person on this island I would put my absolute faith in to save us all it would be John Locke.“ („Ihm vertrauen? Nein, ganz ehrlich, Kumpel: Wenn es auf dieser Insel eine Person gibt, der ich es zutraue, dass sie uns alle retten wird, dann ist es John Locke!“) Wie war das noch gleich? Was liegt im Schatten der ollen Statue? ILLE QUI NOS OMNES SERVABIT! = „Er, der uns alle retten wird!“ Und wer lag im Schatten der Statue, als Richard Ilana diese Frage beantwortete? LOCKE! Da wir ohnehin gerade auf dem Lateintrip sind, schließe ich das mal mit: QUOD ERAT DEMONSTRANDUM („Was zu beweisen war“).

Und nein, ich hab den gefesselten Brautkleidvertreter und verhinderten Rettungsschwimmer nicht vergessen. Bei dem wirkt nämlich bald, nachdem Locke weg ist, das halluzinogene Haargel (und mal wieder ein Wort, das Word nicht kennt. Vorgeschlagene Alternativen: „Haargeil“, „Haargelb“ und „Haargell“ – warum nicht gleich „Hagel“?^^). Ich denke uns sollte weniger der genaue Inhalt und Ablauf von Boones Vision interessieren, sondern mehr die grundlegenden Elemente, Begleiterscheinungen und Folgen seines Trips. Der Sinn und Zweck der ganzen Aktion war die Befreiung Boones von seiner – ich nenn es mal – weltlichen Last. Denken wir mal etwas weiter, so erkennen wir, dass Boone nicht der einzige ist, der den Tod einer anderen Person miterleben muss, um sich zu befreien und der Insel zu öffnen. Ben etwa musste seinen Vater sogar eigenhändig töten, um von der Insel wirklich akzeptiert zu werden. Und da wäre noch Anthony Cooper, der wie aus dem Nichts auf der Insel auftauchte und dessen Tod sowohl John als auch James „befreite“. Beziehen wir jetzt noch den Dialog zwischen Boone und John am Ende dieser Folge mit ein, zeichnet sich endgültig so etwas wie ein Muster ab: „Is that what it made you see?“ („Ist es da, was es dich hat sehen lassen?“). In „Wildschweinjagd“ steht John dem Monster gegenüber und kommt später erleuchtet aus dem Wald getorkelt. Hat er vielleicht etwas ganz ähnliches erlebt? Wer sagt uns, dass Boone sich das Monster eingebildet hat? Vielleicht war es ja wirklich da und zeigte Boone den Tod seiner Schwester (übrigens auch für uns ein Mindfuck³), um ihn auf das vorzubereiten, was auf ihn zukommt („Yes. Time to let go.“). Wie wäre es dann zu erklären, dass Boone in seiner Vision das Monster, ohne ihm je zuvor begegnet zu sein, so wahrnimmt, wie es sich auch in der Realität verhält. John behauptet später, dass Boones Tod ein Opfer war, das die Insel verlangte. Vielleicht ist damit nicht nur gemeint, dass Boones Tod eine Notwendigkeit war, damit Desmond doch keinen Suizid begeht, weil John ihn, durch Boones Tod verzweifelt, davon abhält. Wäre es nicht möglich, dass die Insel wirklich nach ihm verlangte? Später begegnet Boone John als Führer in dessen Visionen. Benötigte die Insel Boone als eine Art Bindeglied, Orakel, spirituellen Führer oder Sprachrohr für John?

Auf jeden Fall agiert das Monster hier und im Pilot sehr viel aggressiver als später. Aber zunächst scheint es auch Boone zu sondieren. Wenn nur Shannon eine Vision war und nicht das Monster, könnte Locke Boone dann nicht gefesselt haben, damit es ihn findet und ihm zeigt, was er sehen muss, um befreit zu werden? Überhaupt stellen sich für mich immer häufiger die Fragen: Was denkt das Monster? Was denkt die Insel? Was denken Jacob und sein Feind (sofern dieser nicht das Monster ist)? Und warum zur Hölle schützen die Wurzeln von Banyan-Feigen vor dem Monster? Hat das mit ihrer Beschaffenheit oder ihrem Wesen zu tun? Denn Banyan-Feigen sind, obwohl keine Schmarotzer, Parasiten. Sie setzen sich auf einen Wirtsbaum und strecken von dort ihre Fühler (also die Wurzeln) nach unten aus. Haben sie den Boden erreicht und können sich selbst mit Nährstoffen versorgen, wachsen sie rapide weiter und ersticken so irgendwann den Wirtsbaum.

Eigentlich wollte ich auch noch ein bisschen was zu Shannon und Sabrina Carlyle sagen, aber da hab ich bei „Verlassen“ wohl noch genug Gelegenheit zu. Die Rückblenden geben ansonsten zwar auch einen ganz guten Einblick in die Charaktere von Boone und Shannon und ihre Beziehung zueinander, bieten aber wenig Raum für Analyse. Deshalb nur noch ein letzter Punkt für heute bzw. diesen Artikel: Was mich stutzig gemacht hat, war der aller letzte Satz dieser Folge: „Follow me.“ Da frag ich mich doch: Wohin? Die werden nach dem Erlebnis und obendrein mitten in der Nacht kaum zur Luke gegangen sein. Also wohin hat Locke Boone geführt?


Mittwoch, 7. Oktober 2009

Was immer der Koffer sein mag^^

Tag 15 – 6.10.2009:

Ihr merkt: Die Einträge werden kürzer und das hat zwei Gründe. Zum einen würde ich sonst sicher einiges wiederholen und zum anderen kann ich Zusammenfassungen der Länge, wie sie die ersten noch hatten, auf Dauer unmöglich durchhalten. Würde ich das versuchen, wäre ich bis Januar nur noch mit „Lost“ zugange und das wäre selbst mir zuviel des Guten. So sehr ich mich also auch über das viele positive Feedback freue, weil es mir zeigt, dass ich nicht für umsonst arbeite, sondern anderen (also euch) damit den Tag etwas verschönern kann, muss ich ein wenig kürzer treten. Wie ich aber schon am Ende der letzten Zusammenfassung sagte, könnt und sollt ihr immer alles ergänzen, was mir entgangen ist.

Kommen wir nun aber zu der Episode „Der Silberne Koffer“, die ich gerade geschaut habe. Sonderlich viel kann ich zu dieser Folge auch nicht sagen,. Sie ist große Klasse als Stand-Alone-Episode und gibt einen guten Einblick in Kates Charakter, ist für die Mythologie aber relativ unwichtig. Ich gehöre ja zu den wenigen, die Kate nicht hassen und auch für Shannon, die hier ebenfalls mal eine etwas größere Rolle spielt, einige Sympathien übrig haben.

Die Story um Kate und den Koffer beinhaltet zwar einige interessante Details und wirklich gelungene Mindfucks, hat aber aus unserer heutigen Sicht wenig bemerkenswertes zu bieten. Denn die Nummer des Bankschließfaches („815“) oder die zahlreichen Parallelen zwischen Insel- und Rückblendenhandlung sind zwar erwähnenswert, bieten aber wenig Raum für tiefer gehende Analyse.

Ich steig mal gut gelaunt mit den Mindfucks ein. Zunächst nehmen wir als Zuschauer an, Kate wäre tatsächlich Bankkundin, was noch in dieser Folge widerlegt wird. Ein wirklich cleverer Mindfuck wurde uns damals jedoch am Ende aufgetischt: „It belonged to the man I loved!“ – „Stop lying and tell me the truth.“ – „I'm not. It belonged to the man I killed!“ („Es gehörte dem Mann, den ich geliebt habe!“ – „Hör’ auf zu lügen und sag mir die Wahrheit.“ – „Das tu’ ich. Es gehörte dem Mann, den ich getötet habe!“) Sind wir damals nicht alle davon ausgegangen, dass dies Kates Verbrechen gewesen sei, der Grund warum sie vom Marshall gejagt wurde? Kleinere Mindfucks dieser Episode beziehen sich vor allem auf den Inhalt des Koffers und dessen Besitzer oder auf den Grund des Bankraubes.

Genau hier finden wir auch die zahlreichen Parallelen zwischen Flashback und Inselhandlung: In beiden muss Kate durch einen cleveren Betrug versuchen, an das Flugzeug zu kommen. Hierzu braucht sie einen mehr oder weniger unwissenden Komplizen. In beiden Handlungen befindet sich das Flugzeug in einem gut weggeschlossenen Umschlag, zu dessen Behältnis Kate zwar den Schlüssel hat, der allein ihr aber nicht genügt. Eine weitere Parallele existiert noch zwischen den Flashbacks dieser Folge und dem Pilotfilm: „I don't know how to use a gun.“ („Ich weiß nicht, wie man eine Waffe benutzt!“) Ja, nee, is klar!

Als Kate Jack ins Vertrauen zieht, werden sie von Sun belauscht. Kate sieht zwar kurz zu ihr hin und denkt sich dann wohl: Die versteht eh’ nichts. Eigentlich hätten die aber schon längst draufkommen können, dass sie alles versteht, da sie ständig au Englische Fragen antwortet – wenn auch auf Koreanisch. Es ist allerdings schon verdammt mies, wenn man ein offenbar sehr vertrautes Gespräch belauscht, indem man vorgibt, die gesprochene Sprache nicht zu verstehen. Da geschieht es Sun nur recht, dass Charlotte mit ihr später einmal das Gleiche machen wird. In dem Gespräch zwischen Jack und Kate kommt dann irgendwann die Sprache auf den Schlüssel im Portmonee des Marshalls und Kate fragt, warum Jack ihn nicht mit den anderen verbrannt hätte und Jack erwidert: „Because I needed to bury him.“ („Weil ich ihn begraben musste!“). Vielleicht wusste Jack aber auch, dass er ihn noch mal ausbuddeln muss. Schlüssel aus verkohlten Überresten zu kramen ist noch ekliger, als ihn einer Leiche zu stibitzen. Und wieder ist Jack Sawyer ein wenig ähnlicher geworden – wir erinnern uns: „Do you do this back home, too - steal from the dead?“ („Machst du das zuhause auch – Tote bestehlen?“, Jack zu Sawyer in Tabula Rasa).

Am Strand geschieht in dieser Folge allerdings wirklich merkwürdiges. Entgegen allen Naturgesetzen steigt der Meeresspiegel erheblich und zwingt die Losties ihr Camp weiter ins Inland zu verlagern. Diese Szene ist wohl das erste, sehr eindeutige Indiz dafür, dass die Insel nicht statisch ist. Sie bewegt sich oder hat sich bewegt und deshalb steigt der Meeresspiegel.

Bis auf zwei helfen alle mit, das Camp zu verlegen. Diese zwei sind Charlie und Shannon. Charlie ist über Claires Verschwinden deprimiert und wird später von Rose aus seinem tief geholt. Als Rose ihm erklärt, dass er es nicht hätte verhindern können und beinah selbst gestorben wäre, erwidert er: „Maybe I should have died.“ („Vielleicht hätte ich sterben sollen... .“) Streich das „Maybe“, Charlie! Du hättest sterben sollen ;-). Auch wenn du mit Rose am Ende noch ’ne Runde betest: Diese Insel wird dein Tod sein!

Shannon hilft aus einem anderen grund nicht mit. Wenn einem sein ganzes Leben lang vorgehalten wird, wie nutzlos man ist, wird man es irgendwann. Wozu soll man sich bemühen, anderen helfen, wenn es sowieso nicht wahrgenommen wird. Leider entwickelt sich so was erstrecht zum Teufelskreis – doch auch dafür findet sich bald ein „Loop Hole“. Boone hat Shannon gerade mal wieder klar gemacht „You’re useless!“, als Sayid auf sie zukommt. Er braucht ihre Hilfe bei der Übersetzung von Rousseaus Karten. Plötzlich ist Shannon alles andere als nutzlos und hilft Sayid nach anfänglichem Widerwillen, der vor allem daraus resultieren dürfte, dass sie denkt: Lieber gleich abwimmeln, als nachher wieder die zu sein, die nichts auf die Reihe bekommt. Außerdem glaubt sie, dass Boone Sayid überredet hat, sie einzuspannen, doch der hat weiß Jacob besseres zu tun: er muss sich mit dem Glatzkopf eine Luke im Waldboden angucken... wenn man keinen Fernseher hat – warum nicht.

Shannon identifiziert die etwas sinnlosen Notizen Danielles als Kinderlieder. In ihrer Einsamkeit hat Danielle all jene Lieder aufgeschrieben, die sie gerne ihrer Tochter vorgesungen hätte. Ob wir den tieferen Sinn der anderen Notizen je erfahren werden, sei mal dahingestellt.

Vielmehr gibt es zu dieser Folge auch nicht zu sagen. Auf zu „Hearts and Minds“/ „Gefühl und Verstand“ – ich gehe jetzt direkt gucken!

Dienstag, 6. Oktober 2009

Sorry, ich schaff's doch nicht mehr ganz

Ich weiß, ich hatte euch die Review zu "Der Silberne Koffer" für heute Abend zugesagt. Jetzt ist mir nur leider einiges dazwischen gekommen. Sie ist aber fast fertig und wird entweder morgen früh alleine oder gegen Abend zusammen mit der von "Gefühl und Verstand" ("Hearts and Minds") kommen. Da die Folge, obwohl ich sie sehr gelungen finde, leider nicht viel zur Analyse hergibt, könnt ihr das hoffentlich verschmerzen. Also wartet nicht drauf. Ich schreib sowas um die Uhrzeit ungern weiter, weil da erfahrungsgemäß nicht viel bei rum kommt.
Euch allen trotzdem noch 'nen schönen Abend!

Wenigstens ist heute das TV-Programm mal so gescheit, dass man auch mal einen Abend ohne "Lost" verschmerzen kann. Ich werd' wohl auch noch ein bisschen "Dr. House" gucken und dann ins Bett gehen. ;-)

„Jack, it's a good thing you were going in a circle.“ - Fährtensucher-Review

Tag 14 – 5.10.2009:

Ich habe gerade aufgehört „Fährtensucher“ zu gucken. Zu meiner eigenen Überraschung hab ich mir sehr viel aufgeschrieben. Eigentlich hatte ich erwartet bei einer Folge, die vor allem aus Durch-den-Wald-Gerenne besteht, am Ende wenig Notizen auf meinen Zetteln vorzufinden – das Gegenteil ist der Fall.

Ich beginne mal mit der Szene, zu der ich am meisten aufgeschrieben habe. Der Rest ergibt sich dann vermutlich von selbst. Als Jack und Kate bereits alleine unterwegs sind und es zu regnen beginnt, landen sie in einem Flussbett und man hört merkwürdige Geräusch im Dschungel, die sich sehr nach Claires Schreien anhören. Jack stürmt los und beginnt eine Böschung hochzuklettern. „Jack? Jack, where are you going? Jack?“, ruft Kate ihm hinterher und er erwidert: „Didn't you hear her?“ – „What? Hear, hear who?“ Schon komisch, dass Kate sie nicht gehört hat oder? Ich habe Claire sofort raugehört, obgleich ihre Schreie sehr unwirklich wirkten, als sei sie überall zur gleichen Zeit. Aber die Szene wird noch viel merkwürdiger: Jack rutscht ab und landet sonst wo im Flussbett, wo Ethan ihn bereits erwartet. „If you do not stop following me, I will kill one of them“, droht Ethan Jack. Wieso hat Ethan Charlie überhaupt mitgenommen? Nur Claire ist für ihn von Interesse. Charlie ist nicht nur Ballast, sondern auch ein unnötiges Risiko – schließlich legt er für seine Leute ein Fährte. Aber eine andere Frage, die man sich genau wie Jack zu Beginn stellt, wird an dieser Stelle beantwortet: Wenn man sieht wie Ethan mit Jack den Boden aufwischt, wundert es einen nicht mehr, dass er zwei erwachsene Menschen überwältigen und verschleppen konnte. Diese schier übermenschliche Kraft ist aber auch dramaturgisches Mittel, um Ethan ein wenig dämonischer wirken zu lassen.

No more warnings!“, faucht Ethan und tritt Jack ins Gesicht. Als Jack wieder zu sich kommt, ist Kate da. Und dann sagt Jack etwas, das ich mir dreimal angucken musste, bis ich glauben konnte, dass ich mich nicht verhört hatte: „I'm not letting him do this.“ – „Not letting him?“ – „Not again!“ Nicht schon wieder? Wie oft hat Ethan Claire denn schon entführt? Dieses kaum verständlich in den Wald genuschelte „Not again!“ ist das bisher stärkste Indiz für die Zeitschleifen-Hypothese. Man überhört es leicht, doch anders würde es wenig Sinn machen.

Jack hetzt also weiter durch den Dschungel. Dann kommt die Verfolgungsjagd zu einem jähen Ende, als er plötzlich vor Charlie steht, der im Dschungel rumhängt. Die nun folgende Szene, in der Jack Charlie reanimiert, baut eine klare Parallele zur ersten Rückblendenszene auf. Sowohl Kate (Inselhandlung) als auch Christian (Rückblende) fordern Jack auf, es dranzugeben. Während Jack im OP aufgibt, macht er auf der Insel weiter und tatsächlich: Charlie überlebt – vorerst.

In der Rückblende führt der Tod der jungen Frau zum Streit zwischen Vater und Sohn – zwei Egomanen sind definitiv einer zu viel. Hier wird zum ersten Mal Christians Alkoholproblem offen zur Sprache gebracht. Warum ist das für uns von Interesse? Bislang kennen wir – außer Christian – nur zwei Fälle von Alkoholismus und einen von starker Trunkenheit bei „Lost“. Sowohl Jack als auch Charles verfallen dem Alkoholismus, nachdem sie die Insel verlassen haben. Desmond wird völlig besoffen an Bord der Elizabeth gefunden, nachdem er die Insel verlassen hatte. Sowohl Jack als auch Charles trinken auf der Insel nicht und Jack hat vor dem Crash so gut wie überhaupt nicht getrunken – nur am Flughafen und im Flugzeug. Da wir von „Lost“ sprechen müssen wir immer davon ausgehen, dass da ein Zusammenhang besteht. Da Locke außerdem Christians Platz auf Flug 316 einnehmen sollte, können wir wohl davon ausgehen, dass Christian früher schon einmal auf der Insel war.

Christian setzt nach dem Streit einen Bericht auf, den Jack unterschreiben soll. Jack macht keinen Hehl um seinen Widerwillen: „Looks like you fixed everything but the patient.“ Als Christian erkennt worauf alles hinausläuft erklärt er: „I know I have been hard on you, but that is how you make a soft metal into steel. That is why you are the most gifted young surgeon in this city. And this, this is a career that is all about the greater good. I've had to sacrifice certain aspects of my relationship with you so that hundreds and thousands of patients will live because of your extraordinary skills.“ Ich weiß nicht wie es euch geht, aber es klingt für mich, als hätte er ihn auf etwas ganz anderes vorbereiten wollen. Er klingt nicht wie ein Vater, der sich gewünscht hat, sein Sohn würde Chirurg werden, sondern wie Eloise Hawking. Auch wenn ich nicht glaube, dass Christian in der Lage wäre, Jack wissendlich in den Tod zu schicken, denke ich schon, dass er ihn auf die Insel vorbereitet hat. Denn dort wird ein guter Neurochirurg gebraucht, damit ein ganz bestimmter Patient überlebt, der für den Kampf für das Größere Wohl lebt. Ganz abgesehen davon, dass Jack auf der Insel so einiges anderes „wieder hinkriegen“ muss. Ohne Christian hätten weder Jack noch Sawyer, Ana oder Claire an Bord von Flug 815 gesessen. Hinzukommt noch Christians rastloser Vater: Ray Shephard. Selbst wenn Christian auf der Insel nicht er selbst, sondern nur eine Gestalt des Monsters bzw. „Samuels“ ist, dürfte uns seine Geschichte wohl noch beschäftigen Wobei ich mittlerweile glaube, dass Christian wirklich Christian ist, allein schon, weil so viel darauf hindeutet, dass er es nicht ist ;-).

Die letzte Szene mit jack und seinem Vater ist jene, in der Jack Christian verrät. Wirklich von Interesse ist dabei jedoch nur eines: der Grund. Die Patientin war Schwanger. Prompt sind wir wieder auf der Insel. Eine schwangere Frau hat Jack verloren. Das darf ihm bei Claire nicht auch passieren. Deshalb kann und will er die Jagd nicht drangeben und drängt Kate und Locke stets voran. Apropos John Locke. Der sagt in dieser Folge einige interessante Dinge. Um den Übergang von Jack zu John etwas leichter zu gestalten, fange ich mal mit dem Zitat an, dass er zu und über Jack sagt: „Jack, it's a good thing you were going in a circle.“ Da frag ich mich doch: Lokal oder Temporär?^^

We can't account for all of our people. And, more importantly, who's to say they're even our people?“ Gerade von Locke hat dieser Satz schon etwas sehr amüsantes, denn der Tag wird kommen, an dem er Ethan mehr als einen „seiner Leute“ sehen würde als Jack.

Mit einem „ihrer Leute“ legt Locke sich auch mal gleich wieder an und zwar mit Michael. Wobei wir alle wissen, dass Michael Locke nur aus einem Grund nicht mag: er ist eifersüchtig, weil Walt zu Locke mehr aufblickt als zu seinem eigenen Vater. Dennoch zieht auch Michael mit einem Trupp los. Lockes Trupp muss sich trennen und während Kate und Jack Ethans richtiger Fährte folgen, finden Boone und John die Luke. Doch ehe das passiert, erfahren wir ganz nebenbei, was ein rotes Hemd ist und wieso das so heißt. Locke sagt noch mal eben einen Regenschauer voraus und Boone fragt: „Are we lost?“, einfach damit das Wort mal wieder fällt. Ich finde es übrigens bemerkenswert, dass sowohl John als auch Kate das Spurenlesen von ihren Vätern gelernt haben. Aber nun zur Luke. Besonders viel erfahren wir noch nicht darüber, obgleich die Szene, in der die zwei das Teil finden, natürlich so genial ist, dass das noch mal erwähnt werden muss. Mich wundert nur eines: Boone und John sind Jacob-weiß-wie-lange unterwegs, ehe sie auf die Luke stoßen und in den darauffolgenden Episoden schaffen die es Tag für Tag hin- und zurück und verbringen an der Luke selbst mehrere Stunden. Zum Ende der Staffel hin bekommt man sogar den Eindruck die Luke sei praktisch direkt um die Ecke. Wandert das Ding?

Aber auch im Lostie-Camp passieren dolle Sachen: Walt gewinnt immer wieder gegen Hurley im Backgammon, was Hurley irgendwann zu der Äußerung veranlasst: „No one is that lucky.“ In der Tat ist es schon komisch, was Walt so alles fertig bringt und damit werden wir uns ausführlich auseinandersetzen, wenn wir zu „Special“/“Der Eisbär“ kommen. Die Frage, mit der ich aus dieser Szene herausging, war jedoch eine andere: Hat Walt die 20.000$ jemals bekommen?^^

Von Walt erfährt Sawyer dann auch von Sayid Rückkehr und schüchtert ihn ein wenig ein, indem er mit einer Zange rumspielt. Doch Sawyer tut Sayid den Gefallen, sich zu rächen, nicht und zieht unverrichteter Dinge wieder von dannen.

Sehr viel mehr gibt es zu der Folge auch nicht zu sagen. Wenn ich was vergessen habe: Nutzt die Kommentarfunktion. Schließlich soll das ja eine Art Gemeinschaftserlebnis sein^^

Montag, 5. Oktober 2009

„But this is what must happen“ - Ein Rückblick auf die "Volkszählung"

Tag 13 – 4.10.2009:

Pünktlich zum Erntedankfest habe ich soeben „Raised by Another“ geschaut. Eine brillante Folge – ohne Frage. Allerdings auch eine, zu der schon so ziemlich alles gesagt wurde. Neben den üblichen erwähnenswerten Details will ich mich dieses Mal daher auf vier Themenkomplexe beschränken: Richard Malkin, Claires Traum, Zeichen, die Aarons Geburt vorausgehen, und Ethan Rom.

Welche Kleinigkeiten sind mir in dieser Folge aufgefallen? So einige:

- Jack müsste wissen, dass man beim Schlafwandeln NICHT träumt. Schlafwandeln tritt in der Tiefschlafphase auf und lässt einen im Tiefschlaf Tätigkeiten ausführen, weil der Aufwachmechanismus gestört ist. Träume treten hingegen in den REM-Schlafphasen auf, in denen sich neben den Augen (daher auch der Name: Rapid Eye Movement) nicht viel bewegt. Entweder man träumt oder man schlafwandelt.

- Jack sagt zu Kate, die sich um Sayid sorgt: „Something tells me he'll be okay.“ Wäre mal wieder ein Indiz FÜR die Zeitschleifen-Hypothese.

- Ferner schlägt er Kate vor, von der Insel wegzusinken. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die rastlose Kate soll die Insel dadurch verlassen, dass sie still steht? Das Verrückte ist letztlich: Würde es ihr tatsächlich gelingen, unabhängig von der Insel an einem Punkt zu verweilen, wäre das Vorhaben sogar von Erfolg gekrönt, denn die Insel bewegt sich ja selbst auch.

- Locke antwortet auf Hurleys Frage, ob er gefunden hätte, was er suchte: „No, it found me!“ Diese Aussage ist eindeutig zweideutig, denn wir müssen uns Fragen: Was hat ihn gefunden? Die Insel? Heilung? Erleuchtung? Jacob? „Samuel“? Er sich selbst?

- I won't let anyone get to you. I won't leave you, Claire. Promise“, sagt Charlie zu Claire unmittelbar vor der Rückblende, in der Thomas Claire verlässt. Nach diesem Erlebnis hat Claire Probleme anderen zu vertrauen und ist daher Charlie gegenüber unnahbar. Dabei verbindet die beiden genau das, was sie dazu bringt, ihn auf Abstand halten zu wollen: Sie beide wurden verraten und im Stich gelassen – Claire von Thomas und Charlie von Liam. Ich muss wohl nicht extra sagen, dass ich Thomas gerne direkt nach Liam an das Rauchmonster verfüttern würde.

- Auch wenn es eigentlich keiner Erwähnung mehr bedarf, wäre diese Zusammenfassung ohne unvollständig: Der Umstand, dass beide Stifte nicht schreiben, ist ein mehr als eindeutiges Zeichen.

- Claire möchte, dass die Adoptivmutter dem Baby „Catch a Falling Star“ vorsingt (Kate singt ihm das später tatsächlich vor), weil ihr Vater es ihr als Kind vorgesungen hätte. Ihr Vater? Wie? Durchs Telefon?

- Lockes Blick bei Sayids Rückkehr lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er guckt weniger überrascht als ertappt! Guckt euch die Szene an! Der Mann weiß etwas.

Kommen wir zu Claires Traum. Sie erwacht (also im Traum, in Wirklichkeit schläft sie noch) und bemerkt, dass an ihrem Bauch der Medizinball weg ist, den die Maske sonst vor jedem Dreh unter das T-Shirt stopft. In der Ferne schreit ihr Baby und sie macht sich auf die Suche. Doch statt ihrem Kind findet sie Locke. John sitzt an einem Tisch, auf dem eine Karte liegt, die mit zwei Kristallen beschwert wurde, und zieht Tarotkarten (ist zumindest anzunehmen) aus einem Stapel. Jedes Mal, wenn er eine Karte zieht, ertönt ein Geräusch wie von einer Klinge, die gewetzt wird. Als Locke am Ende aufblickt ist eines seiner Augen schwarz und das andere weiß. Die Darstellung Lockes macht deutlich, dass er hier nicht nur als John Locke auftritt, sondern mindestens zwei, vermutlich sogar vier Personen zugleich repräsentiert. Tarotkarten und Kristalle gehören zur Grundausstattung eines jeden Wahrsagers und sind daher ein eindeutiger Verweis auf Richard Malkin. Die Augen symbolisieren die Mächte der Insel: Jacob und „Samuel“, die um Locke kämpfen, aber vermutlich auch um Claires Kind. Außer natürlich einer von ihnen wäre Claires Kind. Ich sehe Aaron zwar eher als Jacobs Nachfolger oder Reinkarnation und nicht als sein jüngeres Ich, aber die Theorie hat durchaus was für sich; nicht zuletzt, weil Locke sagt: „He was your responsibility but you gave him away, Claire. Everyone pays the price now.“ Das klingt schon sehr fatalistisch. Malkin sagt: „Your nature, your spirit, your goodness, must be an influence in the development of this child.“ Man bedenke: Claire ist der einzige Hauptcharakter, der auf der Insel länger als eine Staffel durchgehalten und nie einen anderen Menschen getötet hat. Im Verhältnis zu den anderen ist sie rein. Wenn nun also ein Mensch Aaron großzieht, der nicht gütig ist, wird dieses besondere Kind böse statt gut. Aarons Zukunft wird uns in Staffel 6 wohl noch beschäftigen. Wird er böse, wird es düster aussehen für die Menschheit. Wird er gut, wird er eine entscheidende Rolle im Sieg über das Böse spielen. Davon ist wohl auszugehen. Wir kommen darauf gleich noch mal zurück. Zunächst will ich den Traum zuende verfolgen.

Claire geht von Locke weg und findet eine Wiege im Dschungel, die jener gleicht, die Ethan für das Baby im Stab bereitstellen wird. Das Mobile über der Wiege besteht aus vier Flugzeugmodellen mit Oceanic-Logo. Es beginnt sich zu drehen und man hört die Geräusche eines abstürzenden Flugzeugs, ehe eines der Flugzeugmodelle herabfällt. Claire gräbt sich durch die Decken in der Wiege und legt eine tiefe Blutpfütze frei. Was könnte das bedeuten? Erinnern wir uns ein paar Folgen zurück. In der Zusammenfassung zur zweiten Folge schrieb ich: „Bis Jin mit dem Seeigelsushi antanzt, ist Claire überaus besorgt, weil Aaron (damals noch ‚das Baby’) sich seit dem Absturz nicht gerührt hat.“ Was wäre also, wenn das Baby sich deshalb nicht rührte, weil es den Absturz nicht überlebt hat – würde zu der Sache mit dem Mobile und der Blutlache in der Wiege hervorragend passen. Doch die Insel, die durch den Fisch (Jacobs Leibgericht^^) erstmals physischen Kontakt zum Baby selbst hat, führt es ins Leben zurück und verbindet es so untrennbar mit sich.

Aarons Geburt gehen weitere besondere Zeichen voraus. Laut Thomas nahm Claire die Pille und hätte nach menschlichem Ermessen gar nicht schwanger werden dürfen. Da stellt sich doch die Frage, ob das Kind überhaupt auf natürlichem Wege gezeugt wurde bzw. ob Thomas überhaupt der Vater ist. Es wäre doch gut möglich, dass Jacob Aarons Vater ist und als solcher dennoch nie eine Rolle in Aarons Leben spielen wird („The father of this child will play no part in it's life, nor yours“ – Richard Malkin), da er stirbt, ehe Aaron ihn hätte treffen können. Man denke an Charlies Vision in „Feuer + Wasser“: Claire tritt als Maria auf. Natürlich ist Aaron weder eine unbefleckte Empfängnis (denn Claire ist definitiv keine Jungfrau mehr) noch Gottes Sohn, aber er könnte von Jacob auf übernatürlichem Wege gezeugt worden sein. In „Der Vorfall“ besucht Jacob jeden der noch lebenden Losties außer Claire. Vielleicht besuchte er sie ja, sechs Wochen bevor sie den Schwangerschaftstest machte. Das hätte man uns natürlich noch nicht gezeigt.

Ferner ist Aaron das erste Kind, das seit 16 Jahren auf der Insel zur Welt kommen wird, nachdem Richard Malkin es gezielt dort hinschickte. Malkin sagt gegenüber Eko zwar, er sei ein Schwindler, doch würde er tatsächlich IMMER alles nur vortäuschen, hätte er Claires Geld genommen und gut. Doch er erschrickt ja wirklich und besteht auf Oceanic Flug 815. Sollte er also wirklich Geld bekommen haben, damit er Claire in diesen Flieger setzte, dann wohl eher von einem barfüßigen Eremiten, dessen Hobby das Knüpfen von Wandteppichen ist. Die Szene, in der Richard Eko sagt, er habe 16.000$ von einem Paar in Los Angeles erhalten, wurde nie in der Serie gezeigt und ist somit kein Kanon und vermutlich eine falsche Fährte. „But this is what must happen“, sagt Malkin zu Claire. Er scheint sich sehr sicher zu sein und wirklich Angst zu haben. Wir wissen nicht, was er genau gesehen hat, aber er weiß wohl mehr, als er Claire sagt.

Ferner spricht er davon, dass Aaron zu guten Menschen käme, wenn Claire in diesen Flieger steigt. Meint er damit die Anderen? Als Charlie von Claire weg in Richtung Höhlen rennt, begegnet er Ethan, den er zu Jack schickt. Ethan scheint wirklich besorgt zu sein. Er ist in einer ziemlichen Zwickmühle. Er muss verdeckt operieren, darf nicht enttarnt werden, bis er eine Liste an Ben weiterleiten konnte, der dann auch erst auf weitere Instruktionen von Jacob warten muss. Ethan weiß aber, was passieren könnte, wenn er Claire nicht hilft, also spritzt er ihr im Schlaf das Medikament, das er von Juliet hat. Doch nun beginnt ihm die Zeit davon zu laufen: Hurley ist kurz davor ihn zu enttarnen und ihm wird kaum genug Zeit bleiben einen friedlichen Weg zu finden, um Claire zum Stab zu schaffen. Er muss improvisieren und Claire entführen, um sie und ihr Kind retten zu können.

Nicht vergessen sollte man auch, dass Ethan bei Ben war, als sich dieser einst in einer ähnlichen Situation befand. Vielleicht geht er auch deswegen davon aus, dass Ben sein Handeln gutheißen oder zumindest verstehen wird. Betrachtet man den Ablauf dieser Folge mit unserem heutigen Wissenstand, würde ich sagen: Ethan muss sehr verzweifelt gewesen sein und hätte vermutlich gerne einen anderen Weg gewählt. Claires Entführung war eine Kurzschlusshandlung – jedoch mit schwerwiegenden Folgen. So mussten die Losties die Anderen zwangsläufig als Feinde betrachten, obwohl sie das nie waren.

Bei der nächsten Folge geht es dann genau hier weiter. Bis dahin: Alles Gute und Namaste!

Sonntag, 4. Oktober 2009

„Well, accidents happen when you torture people, Jack.“

Tag 11 – 2.10.2009:

Ich geb’s zu. Ich bin wieder nicht zum Gucken gekommen, weil ich so viel geschrieben habe. Ich hol’s aber auf. Versprochen! Denn mit der Zeit werden die Reviews zwangsläufig kürzer werden, weil ich mich sonst wohl des öfteren wiederholen würde.

Tag 12 – 3.10.2009:

„Einzelhaft“: Eines der zentralen Themen dieser Episode wird uns direkt zu Beginn, in der ersten Einstellung, eindringlich klar gemacht: Einsamkeit. Sayid sitzt ganz alleine am Strand und blickt aufs Wasser. Da ist er zwar nicht der erste, denn Locke, Rose und Jack können das auch ganz gut, aber Sayid ist ganz alleine, niemand weit und breit. Er betrachtet gedankenverloren das Bild von Nadia, das Claire aus dem Wrack geborgen hat. Dann entdeckt er das Kabel zum Spiegel, das aus dem Sand hervorlugt und folgt ihm bis zu einem Stolperdraht. Er sieht den Stolperdraht und steigt darüber hinweg. Im nächsten Moment aktiviert er dann die eigentliche Falle. Ihr ahnt sicher worauf ich nun als nächstes zu sprechen komme. Genau: Jacob und „Samuel“ – ganz ausnahmsweise mal. Könnte nicht auch beim Wettkampf dieser beiden etwas, das nach Falle aussieht, von der eigentlichen Falle ablenken. „Samuel“ denkt vermutlich Jacob ausgetrickst und durchschaut zu haben und tappt unter Umständen genau deshalb in die eigentliche Falle. Vielleicht auch umgekehrt... dazu wissen wir zu wenig über die Folgen dessen, was sich unter der Statue zutrug.

Überhaupt lassen sich in dieser Folge zahlreiche Parallelen zwischen einzelnen Charakteren aufbauen. Bevor ich jedoch diesen recht großen Themenkomplex angehe, möchte ich auf einige Details und Querverbindungen hinweisen, die mir aufgefallen sind, im Zuge dessen werden einige der parallelen dann ohnehin zur Sprache kommen. Die verbleibenden arbeite ich am Ende ab ;-):

Mich persönlich hat in den Rückblenden verwundert, dass Sayid Englisch spricht. In der Deutschen Fassung habe ich wohl noch drüber weggehört, weil es nichts ungewöhnliches ist, dass in der deutschen Synchronisation Sprachbarrieren – wenn nicht handlungsrelevant – unterschlagen werden. Bei „Heroes“ etwa wurde Japanisch und Spanisch zusammen mit dem Englischen übersetzt und synchronisiert. Aber warum wird Koreanisch untertitelt und Arabisch nicht? Sicher nichts wichtiges, aber etwas merkwürdig bzw. inkonsequent fand ich es schon.

In einer Szene sehen wir John mit Ethan – dies ist sein erster Auftritt. Ich habe mich gefragt, ob Ethan sich an John erinnert? Schließlich ist er ihm schon einmal begegnet. Außerdem dachte ich: Warum haben sie ihn nicht eher eingeführt? Dadurch, dass Ethan und der komische Hypochonder beide erstmals in dieser Folge auftreten, könnte man mutmaßen, dass der eine als Ablenkung für den anderen gedacht war. Sei’s drum: ich finde es einfach merkwürdig und nicht sehr geschickt, dass Ethan nicht von der ersten Folge an präsent war. Hätte seine Rolle als Spitzel viel überraschender gemacht. Schade eigentlich, da haben die „Lost“-Autoren ausnahmsweise mal eine gute Gelegenheit den Zuschauer zu schocken verpasst.

Die ganze Folge ist offenkundig ein Umbruch in der Dramaturgie, denn langsam aber sicher beginnt es mehr um das große Ganze zu gehen. Die Folge wimmelt nur so vor Vorausdeutungen und Mindfucks. Beginnen wir mal mit den Mindfucks:

- Sayid fragt Danielle: „Alex. Who is he?“ – dadurch dachte auch jeder Zuschauer automatisch, dass Alex ein Mann/Junge wäre, obgleich Alex als Kurzform sowohl für Alexander als auch für Alexandra stehen kann.

- Sayid sagt, Nadia sei tot. Man würde annehmen, dass er dafür irgendeine Gewissheit hat, doch das Gegenteil ist der Fall: er saß schließlich im Flugzeug, weil er zu ihr wollte. Ich finde das gerade in Bezug auf Richards Äußerung über 1977er Losties ganz interessant. Wir sollten nicht den Fehler machen, aus schnellen Schlüssen der Charaktere selbst übereilte Schlüsse zu ziehen. Sofern also Sayid nicht in einer Zeitschleife sitzt und weiß, dass Nadia überfahren wird, während er mit Jacob quatscht, äußert er hier eine offenkundige Fehlannahme, die dem Zuschauer und Danielle als Fakt verkauft wird.

- Da Danielle sagt, sie würde die Anderen nicht sehen, sondern nur hören, geht der Zuschauer davon aus, dass das Flüstern, das Sayid hört, von den Anderen verursacht würde. Wir wissen mittlerweile: Danielle meinte mit „Anderen“ tatsächlich die Anderen, log aber hinsichtlich ihrer Begegnungen mit ihnen. Denn einen hat sie tatsächlich getroffen: Ben. Der wiederum warnte sie, sie solle sich sofort verstecken, wenn sie nur ein Flüstern höre. So wurde ein Phänomen der Insel mit einem anderen verknüpft, das höchstwahrscheinlich nicht damit zu tun hat.

Kommen wir nun zu Vorausdeutungen und anderen interessanten Äußerungen:

Danielle sagt, dass „sie“ jetzt den Funkturm kontrollieren würden. Da entsteht wieder das alte Problem: Hat denn nicht die Dharma den Funkturm zuvor kontrolliert? Wie konnte Danielle den Funkspruch einrichten, ohne auf einen der Dharma-Mitarbeiter zu stoßen? Wer, wenn nicht die Dharma, hätte ihn errichten und einen Funkspruch installieren sollen, der die Zahlen wieder und wieder wiederholt. Gehörte der Funkturm vielleicht zur US-Armee? Und wenn die Anderen den Funkturm tatsächlich kontrollieren, wieso läuft Danielles Funkspruch dann noch immer? Warum hat Ben ihn nicht längst abschalten lassen? Das Funksignal muss doch einer Einladung auf die Insel gleichkommen, zumal er schon seit Jahren lief, als Charles verbannt wurde.

I mean, we're lost on an island, running from boars and monsters... freakin' polar bears.“ – diesen Satz von Hurley lass ich mal unkommentiert stehen ;-).

Danielle sagt zu Sayid: „It's a music box, but it's broken. It has been for a long time.“ Tja, wie ging die Spieluhr von Danielle kaputt? Wer weiß es noch? Exakt: Ben stößt sie um, als er in Danielles Zelt eindringt. Doch war das nicht das erste Mal, dass sich die zwei begegneten, denn Danielle sagt zu ihm, er sei es gewesen, der ihre Leute infiziert habe. Genauso wie sie zu Sayid sagt „sie“ seien die Überträger gewesen. Doch wie passt das damit zusammen, dass doch offenbar das Monster sie verändert hat? Auch dazu sagt Danielle etwas interessantes:

There's no such thing as monsters!“ Okay, für sie mag es das Sicherheitssystem sein. Doch bezeichnete Jin ihr gegenüber das Rauchwesen bereits als Monster, als sie es noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatte. Aber statt Sayid zu entgegnen: „Du meinst das Sicherheitssystem?“ sagt sie ganz bestimmt, es würden keine Monster oder etwas vergleichbares existieren. Warum sagt sie das? Was weiß Danielle und verheimlicht es vor uns? Nehmen wir für einen Moment mal an, dass ich mit meiner Hypothese recht habe und die „Seuche“ nichts anderes ist als das Monster, welches sich der Körper von Danielles Team bemächtigte oder sie tötete und ihre Gestalt annahm. Hätte sie dann nicht sogar mit diesem Wesen kommuniziert? Oder sind es doch zwei Wesen („monsters“ => Plural!). Knüpfen wir noch mal an der Idee an: Jacob = Leben & „Samuel“ = Tod. Irgendwann hatte einer von euch (ich kann’s gerade nicht wiederfinden und weiß leider nicht mehr wer es genau war – sollte sich der Betreffende melden, editier ich es hier gerne ein) darauf hingewiesen, dass es bemerkenswert wäre, dass nur jene „wiederkommen“, die fern der Insel starben. Vielleicht hat „Samuel“ bzw. das Monster Danielles Team also gar nicht getötet. Was aber, wenn Lebende Jacob bzw. dem weißen Monster als „Wirt“ dienen können und Tote seinem Gegner. Vielleicht übertragen sie auch tatsächlich etwas, pflanzen etwas ein. Danielle behauptet, dass Ben der Überträger war. Was wenn das stimmt und Ben als er zum Tempel gebracht wurde irgendetwas „eingepflanzt“ wurde, das ihn am Leben erhielt und zu „einem von Ihnen“ machte? Das gleiche, was Jacob all seinen Auserwählten gab, denn schließlich berührte er jeden von ihnen und holte Locke auf diesem Wege sogar ins Leben zurück. Danielle merkte dann, dass sich ihre Leute irgendwie verändert hatten und tötete sie. Unter Umständen hatte „Samuel“ sich eines Toten bemächtigt, was Danielle erkannte, und sie konnte schlichtweg nicht unterscheiden, wer nun von „Samuel“ und wer von Jacob „infiziert“ war und legte alle um, die somit für beide „unbrauchbar“ wurden, weil sie auf der Insel gestorben waren. Zugegeben: Die Theorie ist etwas abgedreht, aber mein Gefühl sagt mir irgendwie, dass da was dran ist.

Dennoch spricht sie davon, dass „es“ alle getötet oder zumindest verändert habe; denn getötet hat sie ihr Team letztlich: „It took them, one after the other. I had no choice. They were already lost.“ Ferner Danielle erwähnt in dieser Folge bereits die „Black Rock“ zum ersten Mal.

Vielsagend ist auch ein Wortwechsel zwischen Sayid und Nadia in der Zelle: „This isn't a game, Nadia.“ – „Yet, you keep playing it, Sayid: pretending to be something I know you're not.“. Wieder einmal zwei Leitthemen: Spiel und Täuschung. Bleiben wir zunächst bei Sayid selbst. Bei ihm stellt sich die Frage, was er denn nun zu sein vortäuscht? Auf den ersten Blick würde man sagen: Er tut als wäre er ein Killer und Folterer, obwohl er es nicht ist. Nadia hat vermutlich auch genau das gemeint. Ich behaupte aber: Es verhält sich genau umgekehrt. Sayid redet sich und seiner Umwelt ein, dass all diese grauenvollen Dinge aus Notsituationen heraus getan hat, bis er auf Ben trifft, der ihm unmissverständlich sagt: „Because, Sayid... to put it simply, you're capable of things that most other men aren't. Every choice you've made in your life, whether it was to murder or to torture, it hasn't really been a choice at all, has it? It's in your nature. It's what you are. You're a killer, Sayid.“ Deshalb hat Sayid auch das Strandlager verlassen. Er will nicht wahrhaben, dass er in Wahrheit das ist, was er in Ben später sieht: ein Monster. Doch Ben unterscheidet sich von Sayid in zwei Punkten ganz entscheidend: für ihn gibt es Grenzen, Ben tötet wirklich aus Notwendigkeiten heraus und braucht Sayid später, weil er eben nicht in der Lage ist zu tun, was er tun müsste. Er hat Penny nicht getötet und er bereut auch die rolle, die er in der Säuberung spielte. Danielle und Alex hat er durch sein handeln sogar gerettet, weil er nicht in der Lage war die beiden zu töten. Ben spielt das Monster, weil er sich nicht leisten kann Schwäche zu zeigen. Sayid kehrt genau entgegengesetzt zu Ben seine helle Seite nach außen und will seine dunkle Verleugnen. Ich gestehe, dass ich Sayid nie sonderlich mochte, eben weil er anderen gegenüber den Moralapostel spielt, obwohl er Dinge getan hat, die viel grauenvoller waren, als alles, was er bei anderen anprangert. Doch bei allem Verständnis, das ich für jeden der Lost-Charaktere stets aufzubringen versuche, wer ohne in irgendeiner Notsituation zu sein auf ein wehrloses Kind schießt, ist schlichtweg ein schlechter Mensch. Viele der Lost-Charaktere haben grauenvolle Dinge getan, doch Sayid hat vermutlich mehr auf dem Kerbholz als alle anderen zusammen. Aber warum wird er dennoch als Identifikationsfigur gehandhabt? Vermutlich genau deswegen. Denn Darlton sind die, die hier eigentlich täuschen wollen. So wie man uns Sawyer und Ben zunächst als böse entgegenbringt, so wird uns etwa Sayid als gut präsentiert. Jetzt kann man die Charaktere nicht im Finale plötzlich komplett auf den Kopf stellen. Also, muss man sie geschickt darstellen und bei den einen die positiven Eigenschaften in den Vordergrund stellen und bei den anderen die negativen. Kate etwa wird uns gleich zu Beginn als Mörderin präsentiert. Hätten wir damals schon gewusst, dass nach fünf Staffeln alle Charaktere entweder Mörder oder tot sind (die meisten beides) und Kate ihren Vater aus purer Verzweiflung heraus ermordete, hätten wir Kate wohl von Anfang an unter einem anderen Licht gesehen. Auf diese und ähnliche dramaturgische Kniffe, die genauso wie versteckte Hinweise ein Teil des Puzzles bilden, werde ich in Zukunft immer mal wieder zu sprechen kommen.

Gleichzeitig spiegelt dieser Dialog über Spiel und Täuschung auch den Kampf zwischen den beiden Wesen wieder, von denen wir eines als Jacob kennen. Nicht nur, dass beide vorgeben etwas zu sein, was sie offenkundig nicht sind – nämlich Menschen – nein, „Samuel“ versucht das Spiel gegen Jacob zu gewinnen, indem er sich als John Locke ausgibt. Und wenn wir schon mal wieder bei Jacob und dessen Tod sind: „You see, some things can be fixed.“ Da muss man doch fragen: Und welche Dinge können nicht wieder hinbekommen werden? Manches kann folglich berichtigt werden und anderes nicht. Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl? Also, ich hab mehr das Gefühl uns wird in dieser Episode mal wieder ein kompletter Zaun vor die Füße geworfen. Deshalb schätze ich mal, dass diese Aussage sich selbst erklärt. Wir alle könnten ganze Romane mit Dingen füllen, die man bei „Lost“ korrigieren bzw. nicht korrigieren kann. Das Problem sind ja auch weniger die Punkte, bei denen wir es wissen, sondern jene Variablen, von denen wir es nicht wissen. Kann man die eigene Vergangenheit korrigieren oder kann man es nicht? Ich würde sagen: Einige Dinge kann man reparieren, doch der Lauf des Universums gehört nicht dazu.

Das letzte Zitat, auf das ich zu sprechen kommen möchte oder vielmehr muss, denn es schreit laut aus der Episode heraus, wäre: „You'll find me in the next life, if not in this one.“ Wir alle wissen, dass Desmond so etwas ähnliches mehr als einmal äußert, aber was könnte dieser Satz für Staffel 6 bedeuten? Vielleicht bedeutet es ja wirklich, dass wenn unsere Losties in diesem Leben nicht zusammenbleiben, so oder so aufeinandertreffen, sich also spätestens im nächsten, einem anderen Leben wiedertreffen. Wäre ausnahmsweise mal ein Indiz, das für einen Reset spräche.

Die Alternative dazu wäre: Die 1977er Losties sind tatsächlich vor Richards Augen gestorben. Damit wären alle Hauptcharaktere (bis auf Sun) tot oder einmal tot gewesen. Alle? Ja, alle! Wieso? Ganz einfach: Ben starb als Sayid ihn angeschossen hatte und wurde im Tempel ins Leben zurückgeholt – seine emotionale Entwicklung blieb stehen, aber er wurde auch zu „etwas besonderem“. Locke starb bei dem Sturz aus dem Fenster und wurde von Jacob wieder zum Leben erweckt –er ist ebenfalls „etwas besonderes“. Bleiben noch Richard, Walt, Claire und Desmond. Richard altert nicht und lebt seit Jacob-weiß-wie-lange auf der Insel, vielleicht auch weil er bereits tot war. Die Theorie, dass Walt beim Absturz draufging ist nicht neu und würde einiges erklären. Claire lässt ihr Baby zurück und ist plötzlich bei Christian in der Hütte – auch hier nehmen einige an, sie wäre tot. Desmond dreht den Schlüssel um, reist durch die Zeit und erwacht als Hellsichtiger nackt mitten im Dschungel. Hurley und Miles haben ebenfalls eine besondere Fähigkeit. Bei Miles weiß ich derzeit nicht woher die kommen könnte, aber Hurley stürzte mit einem kompletten Balkon ab. Nun sollen in Staffel 6 alle Charaktere zurückkommen, die zuvor gestorben sind und das nachdem Jacob sagte: „They are coming!“ Vielleicht sehen wir sie ja tatsächlich „im nächsten Leben“. Was wäre, wenn Jacobs Opfer genau den Sinn hatte, sie alle zurückzuholen. Zombie-Staffel, wir kommen!

Wenn euch andere Deutungsmöglichkeiten einfallen: Immer her damit! Überhaupt habe ich nichts gegen Gastbeiträge (solange sie zumindest ein gewisses Niveau halten ;-) ), müsst mich nur anschreiben und mir eure Texte schicken.

Kommen wir zum letzten großen Themenkomplex: Parallelen zwischen den Charakteren in dieser und vergleichbaren Episoden. Es ist doch wirklich immer wieder faszinierend wie weinerlich Sayid wird, wenn der Spieß mal umgedreht ist und er der ist, der gefoltert wird. Wie viele seiner Opfer werden ihm gegenüber genau wie er gegenüber Danielle beteuert haben, dass sie nichts wissen? Ich will es mir lieber gar nicht ausmalen. Mir reichen die wenigen Male, wo wir ihn in Aktion gesehen haben. Ich frage mich nur, was für ein Mensch, der selbst zweimal in der Situation war im Zuge eines Verhörs gefoltert zu werden – einmal unschuldig, einmal nicht, dazu in der Lage ist, aus Vermutungen heraus anderen Menschen weiterhin solche Dinge anzutun. Bei Sawyer hat er es noch bereut, bei Ben nicht einmal mehr das, obwohl er sich in genau der gleichen Situation befand, in der Ben sich dann befindet. Ben und Sayid landen beide in einer von Danielles Fallen und werden von Danielle für Andere gehalten und daraufhin gefoltert. Der Umstand, dass Danielle bei Ben recht hatte, mindert Sayids Schuld in keinster Weise. Ja, selbst wenn er sich absolut 108%ig sicher gewesen wäre, bliebe Sayids Handeln ein Verbrechen. Auf diese Problematik gedenke ich näher einzugehen, wenn wir zu „Einer von Ihnen“ kommen.

Aber vergleichen wir doch mal die Flucht Nadias mit Bens Flucht aus dem Schwan. Für beide ist das Urteil gefallen: Tod. Michael und Sayid verraten beide ihre Leute, um jemanden zu schützen, den sie lieben. Sayid will Nadia retten und Michael Walt. Michael erschießt von vorne herein Ana-Lucia, doch dann kommt jemand hinzu, dem er nicht schaden wollte: Libby. Bei Sayid verläuft es ähnlich: er wird von Omar überrascht, den er kurzerhand erschießt. Danach richten sowohl Michael als auch Sayid ihre Waffen gegen sich selbst, um so vortäuschen zu können, dass sie überwältigt und angeschossen wurden und erst danach Omar bzw. Libby und Ana getötet wurden.

Abgesehen von der Funktion als Folterknecht gibt es noch einige andere Parallelen zwischen Danielle und Sayid. Einige werden auch offen angesprochen (wie etwa das mit dem Namen), andere werden zwar angedeutet und nicht vertieft und wieder andere muss man suchen. Zunächst einmal haben sie beide jemanden durch ihr eigenes Zutun verloren: Danielle erschoss Robert und Sayid spielte in Nadias Folterung und Flucht eine ziemlich offensichtliche Rolle. Sayid verlor Nadia aber auch durch äußere Einflüsse – sie wurde ihm weggenommen, so wie Danielle Alex abgenommen wurde. Beide waren sie zu feige für diese Menschen zu kämpfen und verurteilen sich selbst dafür. Sie trauen beide niemandem und sind deshalb auch lieber für sich (das ist bei Danielle zugegebenermaßen ausgeprägter). Aber trotz all ihres offenkundigen Fehlverhaltens verteidigen sie ihr Handeln, rechtfertigen es vor sich und anderen und lernen deshalb auch nichts aus ihren Fehlern. Beide maßen sich an, das Recht zu besitzen, zu entscheiden, was mit anderen Menschen geschehen soll, weil sie nicht dem entsprechen, was sie erwarten.

Da es jetzt schon wieder fast 17Uhr am nächsten Tag ist, noch ein letzter Punkt und dann ist für heute Schluss: Sayid trickst Danielle auf ähnliche Weise aus wie die Wachen im Gefängnis. Er baut bei Danielle das Vertrauen erst auf, bei den Wachen hat er es bereits. In dem Moment jedoch, wo Danielle bzw. die Wachen unaufmerksam werden und gehen, nutzt er seine Gelegenheit aus.

So und das muss jetzt reichen. Das ist wirklich ein Fass ohne Boden^^.