Freitag, 16. Oktober 2009

"I'm good at putting bits and pieces together"

Tag 24 – 15.10.2009:

Drei Tage Mini-Urlaub sind nun um. Hätte schon eher wieder geschrieben, aber nachdem ich endlich den Computergegner beim PC-Schach besiegt hatte, ist hier alles in die Luft geflogen. An diesem kleinen Scherz ist in einem Punkt, was Wahres dran: ich komm mir langsam echt vor wie ein Dharma-Mitglied (okay, seit dem ARG vom letzten Jahr bin ich auch eines^^), allerdings nicht aus der Flamme, sondern aus der Perle. Schließlich sitze ich auch Tag für Tag vor einem Fernseher und schreibe Notizheftchen voll – das Internet ist meine Rohrpost. Zum Glück wird das hier aber wenigstens gelesen.

Wie habe ich meinen Lost-Urlaub also wirklich verbracht? Ich habe was wegen meiner blöden Bank geregelt, hab’ mir mal wieder eine Erkältung eingefangen, habe einige Staffel-5-Folgen für neue Fan-Videos von VHS auf DVD gezogen (der Festplattenrecorder steht bei mir, doch FOX empfangen wir nur über den Kasten im Wohnzimmer) und ich habe ein paar DVDs, die ich mir bei (Achtung! Schleichwerbung) amazon bestellt hatte, geguckt. Bei „X-men Origins: Wolverine“ hab ich zwischenzeitlich gedacht: Bist du jetzt doch wieder bei „Lost“? Die zwei Pappnasen da kennst du doch, aber Keamy hat ganz schön zugenommen! Bei „Ausländer raus! Schlingensiefs Container“ (ist schon etwas älter, hab ich aber jetzt erst bestellt und geguckt) dachte ich aber nachher auch an „Lost“. Warum? Zur kurzen Erläuterung: Dieser BigBrother-like Container war eine Kunstinstallation von Christoph Schlingensief im Jahr 2000 in Wien. Die FPÖ war als erste rechtsextremistische Partei in Europa seit dem zweiten Weltkrieg neu in eine Regierungskoalition gewählt worden. Anstatt zu demonstrieren, baute Schlingensief im Rahmen der Wiener Festwochen einen Container mit FPÖ-Fahnen und einem großen Schild „Ausländer raus“ neben die Oper und ließ darin wie bei „BigBrother“ Asylbewerber (die auch in der Realität oft derart untergebracht sind) wohnen. Über Telefon und Internet konnten die Österreicher dann Asylbewerber aus Container und Land rauswählen. Was hat das jetzt mit „Lost“ zu tun? Die Strategie! Anstatt zu sagen: „Die FPÖ ist rechtsextremistisch!“ (das wäre verpufft), spielt er öffentlich deren Ansichten vor und das eigentliche Experiment findet dann davor statt: Wie wird reagiert? Wer durchschaut, dass es nur Show ist? Wo hört die Inszenierung auf und beginnt die Realität? Letztlich brachte mich das – abgesehen von der politischen Brisanz und künstlerischen Genialität – wieder zu der Frage: Was ist bei „Lost“ Schein und was Sein? Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass „Samuel“/Man in Black der Böse ist und Jacob der Gute. Aber es wurde auch drei Staffeln alles so dargestellt als seien die Anderen und Ben die Bösen, doch die arbeiten ja für Jacob und zwar nach bestem Wissen und Gewissen. Oder gibt Jacob am Ende absichtlich fragwürdige Befehle und wartet darauf, dass irgendjemand – also Ben – irgendwann mal sagt: „Mir reicht’s!“ denn wenn dem so wäre, hätte „Samuel“ Jacob wirklich einen Gefallen getan, als er Ben noch zusätzlich aufstachelte und dazu brachte, ihn zu töten. Bei einem übernatürlichen Wesen wie Jacob, kann man wohl davon ausgehen, dass der Tod zwar den Einfluss auf die Welt der Lebenden unterbindet, aber nicht das Ende für Jacob bedeutet und er den Tod daher nicht fürchten musste – schon gar nicht, wenn er sein Ziel dadurch erreicht. Ist der Man in Black am Ende der linke Demonstrant, der vor dem Container steht und sich über die Fremdenfeindlichkeit der Installation beschwert, ohne zu merken, dass er damit selbst zur Installation wird und obendrein das anprangert, was den Spiegel vorhalten will. In der Bibel ist schließlich auch der Teufel ein Teil von Gottes Plan und wird als Antagonist unfreiwillig zum Instrument. Könnte das nicht auch auf „Samuel“ zutreffen? Ist das, was er für sein Schlupfloch hielt, in Wahrheit Jacobs Schlupfloch, um ihn zu widerlegen? Denn wenn Ben Jacob stürzt, weil er ihn gezwungen hat, all diese grauenvollen Dinge zu tun, bewiest Jacob dann damit nicht, dass die Menschen im Grunde doch gut sind? Wenn Jacob Böses verlangt, damit einer der Anderen sich dem widersetzt, weil er es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, hat Jacob damit doch bewiesen, dass die Menschen nicht nur kämpfen, zerstören und vernichten!

Bevor ich aber dann nun zu der aktuellen Folge „Verfluchte Zahlen“ /„Numbers“ (nicht zu verwechseln mit „Numb3rs“ – das ist eine unabhängige Serie) übergehe, will ich den politisch und soziologisch interessierten unter euch diesen Film sehr ans Herz legen. Man lernt daraus viel über die Menschen, auch wenn man glaubt, das meiste schon zu wissen. Jetzt aber zu Hurley und den Zahlen

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

4 8 15 16 23 42

Die Review wird dieses Mal hauptsächlich aus vielen gesammelten Einzelheiten bestehen, denn es gibt in der Folge viel, das mir auffällt, aber wenig, das mir einfällt. Beginnen wir mal bei den Zahlen selbst. Zunächst einmal wurden sie in dieser Folge besonders oft versteckt: Hurley gewinnt den Jackpot nach 16 Wochen ohne Gewinner, Tito (als er vor laufenden Kameras stirbt, hat Tricia Tanaka Hurley übrigens gerade eine Frage gestellt) wurde vor 4 Jahren den Schrittmacher eingesetzt, beim Brand in der Turnschuhfabrik starben 8 Menschen, Leonard spielt „4 gewinnt“, Sam Toomey brachte sich 4 Jahre, bevor Hurley bei seiner Frau war, um und vor 16 Jahren hörten er und Leonard den Funkspruch und so weiter und so fort. Hurleys Fragen an Rousseau beschäftigen uns auch heute noch: Woher kommen die Zahlen? Woher haben sie ihre Macht? Okay, in „The Lost Experience“ war davon die Rede, es seien numerische Werte aus einer Weltuntergangsgleichung von Enzo Valenzetti. Aber kann das alles sein? Überhaupt: Wir haben verdammt lange nichts mehr von Alvar Hanso gehört – wäre derzeit übrigens einer meiner drei Kandidaten für den Ökonom (neben Francis Heatherton und „Samuel“ – fortschritts- und technologiefeindlich, Feind von Ben und Jacob etc.). Lange dachten wir ja, es bestünde ein Zusammenhang zwischen der Bedeutung der Zahlen und ihrer Verwendung im Schwan. Doch scheint es eher zufällig zu sein, dass sie an der Luke auftauchen: Sie sind eine Art Seriennummer. Warum sollte man dann nicht, als der Schwan gebaut war und man den Computer installierte, die Kennnummer der Station als Code verwendet haben? Denn wenn der Funkturm gar nicht von der Dharma gebaut und genutzt wurde, wie Rousseaus Berichte nahe legen, wäre es doch denkbar, dass die Verwendung durch die Dharma ebenso „zufällig“ wie jeder andere Gebrauch der zahlen ist und ihr eigentliches Geheimnis, ihre eigentliche Macht mit der Dharma-Initiative wenn überhaupt nur ganz entfernt zu tun haben. Wir können doch eigentlich davon ausgehen, dass die großen Mysterien (Zahlen, Jacob, „Samuel“, Christian, Rauchmonster, die Insel selbst, das Rad etc.) alle auf eine gemeinsame Lösung hinauslaufen. „But the numbers – did you ever find out anything about them? Do you know where they got their power?“ („Aber die Zahlen – hast du je irgendetwas über sie herausgefunden? Weißt du, woher sie ihre Macht haben?“). Ja, woher haben sie ihre Macht? Ich hab mal etwas recherchiert und mal geguckt, was welche Zahlen so alles bedeuten können bzw. wo sie in Mythologie, Aberglaube und Religion auftauchen. Die 4 hat in fast allen Kulturen besondere Bedeutung. Zunächst einmal steht sie für die vier Himmelsrichtungen (bei den Ägyptern somit auch für die Seiten des Benben-Steins), bei den Griechen aber auch für die vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) und in China ist sie eine Unglückszahl, weil die Wörter für „vier“ und „Tod“ im Chinesischen fast gleich klingen. Jeder, der von Chemie etwas Ahnung hat, weiß, dass ein Atom zwar maximal acht Außenelektronen hat, aber eine gleichmäßige Anordnung von Bindungen ein Tetraeder ist, also der einzige gleichmäßige, dreidimensionale Körper mit genau vier Ecken und vier Seiten. Die 8 ist noch symbolträchtiger. Bei den Griechen symbolisiert sie die materielle Welt und Gerechtigkeit, ist aber auch die Zahl des Gottes Kronos, des Beherrschers der Zeit (zumindest in den Überlieferungen, in denen er mit Chronos gleichgesetzt wird), welcher aus Angst gestürzt zu werden seine Kinder verschlang. In den monotheistischen Religionen ist die Acht die Zahl des (glücklichen) Neuanfangs. Ferner wurden acht Menschen durch Noahs Arche gerettet – nebenbei: wisst ihr noch wie viele Menschen die Searcher am Ende von Staffel 4 aufgelesen hat? Ihr ahnt es sicher: Acht – Jack, Kate, Sayid, Hurley, Sin, Aaron, Frank und Desmond. Bei der 15 finde ich zugegebenermaßen nichts interessantes, was über mathematische Besonderheiten hinausginge. Es gibt aber zumindest 16 christliche Propheten – ist ja auch was wert. Aber jetzt kommen wir zur 23. Um keine Zahl ranken sich so viele Verschwörungstheorien und Mysterien. Sie enthält die drei kleinsten Primzahlen: 2; 3 und 5 (2+3=5). Und was haben eigentlich die Illuminaten mit der 23 zu tun? Mehr als man denkt. zumindest gilt die 23 als ihre Zahl. Die 42 letztlich bildet in der ägyptischem Mythologie die Anzahl der Richter beim Totengericht. Und natürlich ist 42 die Antwort auf die letzte Frage.

Die Zahlen haben also vielleicht auch mythologischen Ursprung und leiteten Danielle Rousseau und ihr Team zur Insel und vielleicht auch andere. Man sendet ja nicht permanent sechs Zahlen von einem Funkturm aus ohne dafür einen Grund zu haben. Warum könnte der Grund für diesen Funkspruch also nicht genau das sein: Menschen zur Insel lotsen. Und wenn das der Zweck der zahlen ist und die Anderen den Funkturm nicht (mehr) nutzen, sondern sich eine Leitsignals im Spiegel bedienen, gibt es nur drei Möglichkeiten: Die Anderen nutzten den Funkturm und bestückten ihn als Leitsignal mit den Zahlen, bis sie den Spiegel unter ihre Kontrolle gebracht haben. Das würde allerdings voraussetzen, dass Charles – wie Ben – seine Leute auch auf Missionen außerhalb der Insel schickte oder sie von irgendwo rekrutierte. Die zweite Möglichkeit: Jacob selbst hat den Funkturm installiert. Wir wissen, dass er zyklisch immer wieder Menschen auf die Insel holt: die Black Rock, die Losties und vermutlich auch die Dharma. Doch wäre das Senden dieser Nachricht eine ziemlich wahllose Angelegenheit und nicht gerade sinnvoll, wenn man gezielt nach guten Menschen sucht, die nicht alles in Schutt und Asche legen. Damit wären wir bei Möglichkeit Nummer drei: Möchte man bewiesen, dass Jacob falsch liegt und die Menschen schlecht sind, gibt es drei Möglichkeiten: entweder wartet man, bis Jacob es von alleine drangibt, man bringt ihn um, ehe er Erfolg hat, oder man tritt den Gegenbeweis an. Da das alles nicht so leicht ist, müsste man mehrgleisig fahren, um so schnell wie möglich zu gewinnen.

Gehen wir nun aber mal weiter zu den Auswirkungen, die die Zahlen auf Hurley hatten: sein Großvater stirbt, auf der Beerdigung wird der Priester vom Blitz erschlagen, die Freundin seines Bruders brennt mit einer Kellnerin durch, die neue Villa fängt an zu brennen, seine Mutter knickt sich den fuß um, er wird mit einem Drogenboss verwechselt, in seiner Turnschuhfabrik bricht ebenfalls ein Feuer aus und im Bürogebäude seines Anlageberaters springt einer ausm Fenster. Was mir aufgefallen ist, ist hier vor allem die Musikuntermalung: leicht skurril, beschwingt, als wollte das Orchester sagen: „Und schon wieder einer!“ Diese Unglücksfälle werden zynisch und morbide inszeniert und überhaupt wird die ganze Folge von tiefschwarzem Humor durchzogen.

Doch betrachtet man die Folgen des Fluches fern der Insel genauer fallen noch einige interessante Details auf. Ich war wohl nicht der einzige, der sich beim Brand der Villa und den dichten Rauchschwaden, die aus dem Fenster stiegen, an das Monster erinnert fühlte. Wäre an und für sich nur eine belanglose Assoziation, wenn sie mich nicht auf einen Gedanken gebracht hätte: Es ist ja noch nicht lange her, dass ich mich mit dem Motiv des Feuers beschäftigt habe, das auch in dieser Folge sehr präsent ist. Wenn das Feuer also Jacob symbolisiert bzw. mit ihm in Zusammenhang steht, könnte der Rauch als das tote Produkt eines Brandes uns endlich einen Hinweis darauf geben, warum das Monster als schwarzer Rauch erscheint und nicht etwa als brennender Dornbusch, Feuerwalze, Lichtwesen oder komischer Wasserschlauch. Qualm ist nichtsweiter als Asche, die von der heißen Luft mitgenommen wird – ein Aerosol, ein Stoffgemisch aus Feststoff (Kohlenstoff/Asche) und Gas (Luft, Sauerstoff, Stickstoff, CO2.... was auch immer). Feuer, Asche, schwarzer Rauch – alle drei tauchen (oft unabhängig) als Leitmotive immer wieder auf. Feuer und Rauch sind nahezu untrennbar verbunden, denn bei jedem Brand entsehen irgendwelche neuen Stoffe – meist Abgase/Qualm. Und doch sind sie gegensätzlich, denn während das Feuer wärmt und für uns lebenswichtig ist (ohne Feuer, Luft, Erde und Wasser ist komplexes Leben einfach nicht möglich), ist Rauch immer kalt und todbringend.

Wiederum sehr amüsant ist der Dialog zwischen Hurley und seinem Vermögensberater Ken. Da wäre zunächst einmal ein wiederkehrender Dialog, der so ähnlich in „Fährtensucher“ vorkam: Boone: „A box company?“ – Locke: „They made boxes“. Im Vergleich dazu „Verfluchte Zahlen“: Hurley: „A box company?“ – Ken: „Mmmh, they make boxes...“. Und nein, das werde ich nicht übersetzen – man kann es auch übertreiben. Wirklich gelacht habe ich aber bei: „What, you don't believe in jinxes? You know, curses?“ – „I'm an accountant, I believe in numbers.“ („Was, Sie glauben nicht an Unglücksbringer? Sie wissen schon, Flüche?“ – „Ich bin Buchhalter, ich glaube an Zahlen.“) In diesem fall wohl ein und dasselbe, meint ihr nicht?^^

Kommen wir zu weiteren bemerkenswerten Sätzen. Leonard sagt „You opened the box.“ („Du hast die Büchse/Kiste geöffnet!“) Zum einen ist dies wohl eine Anspielung auf die Büchse der Pandora, die alles Unheil, aber auch die Hoffnung in sich barg. Diese Büchse gab Zeus der Schwägerin des Prometheus, nachdem dieser das Feuer gestohlen hatte, und wies sie an die Büchse niemals zu öffnen. Von Neugierde überkommen tat sie es doch und alles Schlechte entwich der Büchse: Krankheit, Unheil und Tod, denn bis die Büchse geöffnet ward, waren die Menschen wie die Götter unsterblich. Als Pandora die Büchse ein weiteres mal öffnete entwich auch die Hoffnung. Da ich letztens Jacob mit Prometheus verglich, würde sich hier ein weiterer mythologischer Bezug anbieten. Der Fluch der Zahlen als Strafe für Jacobs Versuch den Menschen zu helfen, würde ebenfalls für „Samuel“ als Urheber der Zahlen sprechen. Des weiteren wird in der Sage Ungeduld und Neugierde bestraft. Natürlich verbirgt sich hier aber auch eine ganz andere Botschaft, die nicht unbedeutend für das Spiel zwischen Jacob und seinem Widersacher ist: Ohne leid, sind weder Hoffnung, noch wahres Glück möglich. Wie will man das Gute würdigen, wenn man das Schlechte nicht kennt? Gut und Böse, Ordnung und Chaos, Hell und Dunkel, Maat und Isfet, Jacob und „Samuel“, Schwarz und Weiß, Ben und Charles, Gefühl und Verstand, Glaube und Wissenschaft – all diese Gegensatzpaare erlangen erst in Kenntnis des jeweils anderen Bedeutung und können auch nur aneinander gemessen werden.

Ferner stellt die Wortwahl Leonards sowohl einen Bezug zur „Magic Box“ als auch zu der „box company“ her. Leider ist das im Deutschen gänzlich verloren gegangen, da er in der deutschen Fassung „Büchse“ sagt, aber Ben von einer „Kiste“ spricht und von einer „Verpackungsfabrik“ die Rede ist. Bin ich eigentlich der einzige, der bei Verpackungsfabrik immer an die Simpsons-Folge mit dem Schulausflug in die Kartonagenfabrik denken muss? Leonard erwähnt außerdem Sam Toomey, woraufhin Hurley dessen Frau aufsucht. Deren Begrüßung ist schon wieder goldwert: „If this weren't the middle of nowhere, I'd say you were lost.“ Von Martha Toomey erfahren wir einiges über den angeblichen Fluch der Zahlen und wie es Sam damit erging – alles nichts neues. Einzig die Tatsache, dass Sam selbst sich nur durch Suizid aus dem Fluch befreien konnte, ist in Hinblick auf Hurley ganz interessant und wir werden uns das auch noch mal ansehen. Was aber viel wichtiger ist, ist das, was Martha über den Ursprung der Zahlen erzählt, wo und wie Sam und Lenny sie gehört haben. Sie waren in der U.S. Navy im Südpazifik stationiert. Bei jedem, bei dem das Glöckchen jetzt nicht Sturm läutet, sollte mal wer die Lebenszeichen überprüfen. Marthas Informationen sind nur Hörensagen. Wir haben keinen Beleg dafür, dass die 16 Jahre stimmen, noch dafür, dass Sam und Lenny die Zahlen zufällig hörten. Waren sie aber wirklich im Südpazifik als Nachrichtenoffiziere der U.S. Navy stationiert, ist es wohl nicht zu viel gewagt einen Zusammenhang mit den Truppen zu vermuten, die 1954 auf der Insel waren, um Wasserstoffbomben zu testen. Das Militär der Vereinigten Staaten weiß offenkundig von der Existenz der Insel und womöglich sogar wie man da hin kommt.

Alles weitere im Gespräch zwischen Hurley und Martha läuft eigentlich nur wieder auf das alte Glaube-Gagen-Verstand-Spielchen hinaus – im Vergleich zu der restlichen Folge etwa so spannend wie die 108te Wiederholung von „Deutschlands dümmste Bildstörungen“.

Also auf zur Gegenwartshandlung, back to the Island!!! Hier fällt nun ziemlich deutlich auf, dass der Fluch der Zahlen auch seine Vorteile hat – wie Jacob schon nahe legte: Was wäre, wenn Hurley nicht verflucht, sondern gesegnet wäre? Hurley ist nämlich praktisch unverwundbar. Er übersteht mit Leichtigkeit Rousseaus Falle, wird nicht erwischt, als Danielle auf ihn und Charlie schießt, und überquert trotz seines Gewichts (bevor sich einer beschwert: bin selbst übergewichtig, ich darf das^^) die Hängebrücke, die bei Charlie – wie sollte es auch anders sein – zu Bruch geht. Apropos Hängebrücke: Wer hat die eigentlich gebaut? Ich weiß, das erörtern Jack und Sayid auch, aber die Meinung von den zweien interessiert mich schon lange nicht mehr – allein schon wieder diese Vorwürfe und Unterstellungen als Hurley mit den Karten und Notizen weg ist. Die Brücke ist ziemlich provisorisch aus ein paar krummen Brettern und Seil in MacGyver-Manier zusammengeschustert und wirkt daher nicht wie etwas, was die Anderen bauen würden. Danielle hingegen nutzt alles, was sie auf der Insel findet, um sich daraus ein behelfsmäßiges Equipment zu basteln. So baut sie sogar ein „Securitysystem“ (man denke an ihre Bemerkung über das Monster) für ihr falsches Lager, damit dieses in die Luft fliegt, wenn sich jemand nähert. Überall stellt sie Fallen auf oder tarnt Fallen mit falschen Fallen. Das mit dem verlassenen und vermimten Lager ist nicht nur ein Trick, den auch die Losties später beim Angriff der Anderen auf ihr eigenes Lager nutzen, sondern auch ohne Explosion eine gern genutzte Strategie in „Lost“: man gaukelt dem Gegner vor, sein Ziel erreicht zu haben und noch ehe er Verdacht schöpft, ist er schon in die Falle getappt.

Und wo wir gerade bei Fallen sind. Als Claire mit John an der Wiege baut, denkt sie zunächst, sie würden eine Falle basteln. So Unrecht hat sie damit nicht einmal. Die Falle ist jedoch nicht für die Tiere, sondern für Claire selbst. John gewinnt sie für sich und hat damit schon vier Anhänger um sich gescharrt.

Bevor ich nun zum Ende kommen, muss ich aber noch einmal die Lost-Macher für diese geniale letzte Einstellung mit den Zahlen an der Luke loben. Das war damals, als ich diese Folge das erste Mal sah, wirklich eine von den Stellen, wo man richtig Gänsehaut bekam.

Wenn ich jetzt mal so auf die fertige Review zurückblicke (Wortspiel für all jene, die des Englischen mächtig sind), stelle ich fest, dass meine eingangs geäußerte Annahme es würde in einer Aneinanderreihung von einzelnen Fakten enden, selten so daneben lag. Wenn ich im Mai feststelle, dass ich bei der Einschätzung von „Lost“ ähnlich treffsicher war, wie bei der meiner eigenen Reviews, mache ich folgendes: Ich kauf mir ein schönes, langes Kabel, buche ein Hotelzimmer und warte dann da auf Ben... oder ich besorg mir ’ne Schrothflinte. Wobei Ben macht nachher noch sauber, während die Schrothflinte eine Riesen-Sauerei macht, denn wie sagte schon Dieter Nuhr: „Hirn ist Hirn und klebt!“ Aber wo nix is...^^

Dienstag, 13. Oktober 2009

Eine letzte Info

Gestern erreichte mich eine Mail zum Thema Urheberrecht. Erstmal vorab: meine Mail-Adresse im Moment ist noch timfeldmann@t-online.de - das dürfte sich aber bald ändern. So nun zu den Urheberrechten auf dieser Seite. Ich persönlich empfände es doch als ziemliche Doppelmoral bei Sekundärliteratur großartig auf irgendwelchen Urheberrechten rumzureiten. Grundsätzlich gilt: zu nicht kommerziellen Zwecken dürft ihr alles hier kopieren, zitieren, ausdrucken etc. Von mir aus tapeziert euch das Zimmer damit. Solange ihr eine Quellenangabe beifügt dürft ihr auch Inhalte ungefragt auf anderen Seiten übernehmen und euch auch auf anderen Seiten zu dieser äußern, solange es nicht in einen unsachlichen Rahmen abgleitet. Ich weiß, dass man mittlerweile ja echt völlig verunsichert ist bei diesem schwammigen Urheberrecht. Daher für euch alle: Solange ihr kein Geld damit verdient (und das wage ich doch stark zu bezweifeln^^), werd' ich keinem einen Anwalt auf den Hals hetzen. Allenfalls wird mein glubschäugiger Freund mit den Segelohren euch mal einen kleinen Besuch abstatten ;-)

Und für all jene, die nicht nur "Lost"-Fans sind, sondern auch auf meinen eigenwilligen Humor stehen und etwas für Harry-Potter übrig haben, hab ich noch was: Harry-Potter-Parodie - einfach auf Download klicken. Ist auch fast virenfrei... also bis auf Schweinegrippe ;-) Ich arbeite zwar auch an einer Parodie zu "Lost" doch solange Staffel 6 nicht durch ist, ist das etwas problematisch.

Edit (15.10.2009): Erst einmal kurzer Dank an Danny für die Werbung, die er für unser kleines Projekt gemacht hat. Und dann die Info: ich sitze an "Numbers" - Review kommt irgendwann zwischen heute Abend und morgen Mittag. Aber wenn sie heute um 21.00 Uhr nicht da ist, braucht ihr vor morgen um 12.00 Uhr eigentlich nicht nochmal gucken.^^ Das ist mittlerweile so ein Erfahrungswert, den ihr vermutlich auch schon gemacht habt.

"Folks down on the beach might have been doctors and accountants a month ago, but it's Lord of the Flies time, now. "

Tag 20 – 11.10.2009:

Hab jetzt „Lost in Translation“ geguckt. Was soll man dazu noch sagen? Einfach genial – eine saukomische Lektion in Sachen Völkerverständigung und Aufeinanderprallen der Kulturen. Besonders das mit dem Fisch... da kann ich mich jedes Mal drüber schlapp lachen: „Wir nehmen zweimal ‚Sieht doch eh’ alles gleich aus’!“ Bill Murrays bester Film nach „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Während ich mich nun frage, wer tatsächlich auf diesen kleinen Mindfuck meinerseits reingefallen ist, gehe ich mal zu der gleichnamigen Lost-Episode „...in Translation“ über: Viel notiert habe ich nicht – genau genommen sogar: So wenig wie noch nie. Vor vier Jahren noch hatte diese Folge fast erleuchtenden Charakter für uns: Es zeigte sich, dass Jin kein schlechter Mensch ist, vermutlich sogar ein besserer als Sun, obgleich er zuvor zwielichtig, fast böse rüberkam. Da wir das vor allem aus der Rückblende erfahren, steig ich da gleich mal ein. Jin beginnt also für Mr. Paik zu arbeiten und verleugnet bereits im Vorstellungsgespräch erstmals seinen Vater. Auf der Hochzeit tut er dies erneut. Gut, dass wir nun auch endlich wissen, warum wir von der Hochzeit nie die Trauung gesehen haben^^. Jin verspricht Sun in dieser Szene jedenfalls, dass sie in einem halben Jahr ihre Flitterwochen haben werden, wenn er erst einmal etwas für Suns Vater gearbeitet hat. Ihre Flitterwochen werden sie dank des Crashs in gewisser Weise tatsächlich bekommen. Die viel größere Ironie an der gemeinsamen Reise der beiden ist aber eine ganz andere: Jin plante – wie wir aus dem Gespräch mit seinem Vater erfahren – sich in den USA mit Sun abzusetzen. Sun wiederum wollte Jin eigentlich verlassen, um sich dann ebenfalls in den USA zu verstecken.

In der Geschichte um Han (nicht Solo!!!) ist mir eine gewisse Parallele zwischen Jin und Ben aufgefallen. Jin wird beauftragt eine „Nachricht“ zu überbringen und beim zweiten Mal schlägt er Han zusammen und sagt ihm: „Ich habe gerade Ihr Leben gerettet!“ Etwas ähnliches macht Ben, als Charles ihn schickt um Danielle zu töten: er fügt ihr Schaden zu, damit er sie vor noch größerem Schaden bewahren kann. Sowohl Ben als auch Jin werden für das verachtet, was sie im Namen von jemand anders tun. Jin sagt zu seinem Vater: „In einer guten Welt würde sie ihn hassen – nicht mich“ Genauso müsste man viele von Bens Taten eigentlich Jacob anlasten – Ben und Richard sind nur Überbringer der Befehle bzw. selbst Befehlsempfänger. Woran sich dann auch mal wieder zeigt, dass Jacob in all seiner Weitsicht ein verdammt selbstgerechter und bisweilen scheinheiliger Mistkerl sein kann, was wohl auch „Samuels“ Hass mitbegründet.

Aber auch Sun fügt in dieser Folge jemandem Schaden zu, um ihn vor noch größerem zu bewahren: Michael. In der Annahme, Jin sei fähig zu morden, ohrfeigt sie Michael am Strand, weil sie um sein Leben fürchtet. Später schützt sie aber auch Jin vor Michael, indem sie ihr „Schweigen“ bricht. Insofern ist diese Folge schon etwas besonderes: Sun handelt tatsächlich altruistisch und das gleich zweimal. Jin hat aber durchschaut, dass Sun Michael nur geschlagen hat, um eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Eifersucht keimt in ihm hoch, die durch seine damalige Feindschaft zu Michael nur bestärkt wird.

Als sich Sun mit Kate von Frau zu Frau am Lagerfeuer unterhält, wird das Floß angezündet (und wieder mal brennt es bei „Lost“). Wir wissen mittlerweile, dass es Walt war und er es getan hat, weil sein Vater ihm von New York vorschwärmte, während er sich wünschte, auf der Insel zu bleiben. Das verbindet Locke und Walt und ist wohl auch der Grund, weshalb John Walt deckt: Beide wollen verhindern, dass jemand die Insel verlässt, aus Angst, sie selbst verlassen zu müssen. Um dieses Ziel zu erreichen vernichten sie die Fluchtmöglichkeiten der anderen Losties. Bemerkenswert ist auch Walts Verhalten beim Brand, denn es erinnert einen wieder daran, dass er ein Kind ist: Während die anderen sich schon darüber streiten, ob Jin der Täter ist, läuft Walt zum Floß und wirft etwas Sand ins Feuer. Da hätte er sich auch bald neben das brennende Floß stellen, den Kopf in den Nacken legen und zu pfeifen beginnen können. Das wäre ähnlich subtil gewesen.

Zu Jins eigenem Pech, hat er selbst sogar versucht das Floß zu löschen und sich dabei die Flossen verbrannt. Sun bemerkt dies. Wiedereinmal eine nette Parallele zwischen Inselhandlung und Flashback: Denn in einer der Rückblenden kommt Jin mit blutverschmierten Händen nach Hause, die er vor Sun zu verstecken sucht.

Dennoch schützt Sun Jin am Ende, doch ihr Vertrauensmissbrauch lässt Jin die Höhlen verlassen. Während Jin sich gegenüber seinem Vater noch wünschte: „I wish I could start over.“ („Ich wünschte, ich könnte noch einmal von vorne beginnen!“), erwidert er Sun, als diese fragt: „Can't we… just start all over?“(„Können wir nicht... einfach von vorne beginnen!“) „It's too late.“ („Dafür ist es zu spät.“) Danach hilft er Michael das neue Floß zu bauen: aus Feinden werden Freunde....und aus Freunden Feinde. Sun scheint außerstande zu verstehen, weshalb Jin wütend ist. Sie hat es nie verstanden. Erst als sie ihn für tot hält, wird ihr klar: das Problem war stets ihr Vater, niemals Jin. Jin befand sich in einer auswegslosen Situation und hat versucht das Beste aus seiner misslichen Lage herauszuholen. Da zeigt sich wiedereinmal wie selbstbezogen Sun selbst in ihrer Liebe zu Jin noch ist. Sie will ihn für sich haben, ihn besitzen, doch gleichzeitig müsste ihr klar sein, dass dies nie möglich sein wird, wenn er nicht für ihren Vater arbeitet. Sun und Walt tragen letztlich die Schuld an all den Miseren dieser Episode. Auch wenn Locke also sagt: „Everyone gets a new life on this Island!“ („Auf dieser Insel bekommt jeder ein neues Leben!“), so verspielen Sun und Walt ihren Anspruch darauf, wie je mehr sie sich daran klammern.

Mir ist aber noch ein wiederkehrender Satz im Gespräch zwischen Mr. Kwon und seinem Sohn aufgefallen: „...then walk away!“ Das gleiche sagen Charlie und Liam mehrere Male in den Rückblenden von „Der Nachtfalter“, wenn es um die Zukunft von DriveShaft geht. Da nur mal so am Rande ;-). Ich will ja nichts unterschlagen. Apropos „schlagen“: Sayids verhalten bei dem Kampf zwischen Michael und Jin ist ja auch mal wieder zu typisch. Der biegt sich die regeln wohl echt zurecht wie er sie gerade braucht. Da ist es also „ihre Sache“, aber wenn er Leute foltert, mit denen andere im Klinsch liegen, ist das okay.

Nun aber zu John Locke: ich frage mich, wann Locke wohl herausgefunden hat, dass Walt das Floß angezündet hat? Oder hat er es von irgendwem erfahren? Wenn man die erste Staffel so betrachtet scheint Locke sehr oft mehr zu wissen als er eigentlich wissen dürfte. Die Frage ist nur von wem? Jacob? „Samuel“? Smokey? Der Insel? Problematisch bliebe aber, selbst wenn wir es wüssten, ob das nun die „richtige Seite“ ist. Wir gehen zwar davon aus, dass Jacob der Gute ist, aber wissen wir es? Denn „Samuel“ hat schon irgendwo recht, mit dem was er über Jacob sagt. Ben ist das beste Beispiel dafür! Doch stellt sich da die Frage, ob Ben nicht der Hiob von Jacobs und „Samuels“ Duell ist. Nehmen wir mal an, dass „Samuel“ Satan darstellen soll und Jacob Gott. Man lässt Ben also zum Anführer der Anderen werden, gibt ihm Macht, Gesundheit und Leben und dann nimmt man ihm alles wieder weg, um seinen Glauben zu prüfen: er erkrankt an Krebs, seine Tochter wird vor seinen Augen erschossen, man verbannt ihn und als all das nicht ausreicht, bearbeitet „Samuel“ ihn so lange, bis er sich gegen Jacob wendet. Das Blöde ist nur: er wendet sich zwar gegen Jacob, aber nicht gegen die Insel und unter Umständen ist genau das Jacobs eigenes „Loophole“.

Locke zumindest ist ein Werkzeug dieses Kampfes. Die Seele um die es Jacob und „Samuel“ geht ist er jedoch nicht: das ist Ben. John bekommt mehr und mehr fast schon prophetische Züge in dieser Episode. Seine Rede am Strand hat aber noch einen anderen Nutzen als den streit zu schlichten. Locke sagt, dass es doch irrational wäre zu glauben, einer von ihnen würde, einen Fluchtversuch von der Insel unterbinden wollen. Doch genau das hat er selbst ja getan, obgleich er im Herzen schon damals ein Anderer war. Er lenkt nicht nur den Verdacht weg von Jin (oder auch Walt), sondern vor allem von sich selbst.

WOCHE 4

Tag 21 - 23 – 12.10.2009 – 14.1.0.2009:

Ist jetzt gerade Dienstag (13.10.2009) Mittag und soeben hab ich die Review zu „...In Translation“ fertiggestellt. Das war es für heute erst einmal. Ich brauche jetzt mal ein oder zwei Lost-Review-freie Tage, denn ihr werdet es schon gemerkt haben, dass die letzten Zusammenfassungen etwas fahriger waren als die am Anfang. Ehe ich also noch die Lust verliere, will ich mal bis morgen Abend ein bisschen was anderes machen. Das bedeutet nicht, dass ich jetzt so gar nichts sinnvolles mache, aber ich brauche etwas Abstand vom Schreiben, ehe es mir lästig wird. Letztlich denke ich, dass das wohl auch in eurem Sinne ist. Lieber mal zwei Tage Pause und danach bin ich wieder in Hochform, als das ich nach Staffel 1 den Nerv verliere. Also: morgen kommt nichts. Donnerstag geht’s wieder weiter. Das Staffelfinale wird ich übrigens in einer kompletten Review bearbeiten.

Vermutlich werde ich mich morgen aber mal um die „Read-more“-Funktion kümmern und mich an ein anderes gleiches Gimmick für das Blog setzen.

Montag, 12. Oktober 2009

"It'll come back around" - Outlaws-Review

Tag 19 – 10.10.2009:

„Outlaws“ stand an und irgendwie ahne ich jetzt schon wieder, dass ich im Moment zwar denke: ich weiß gar nicht, was ich dazu schrieben soll! und es am Ende dann wieder vier Seiten geworden sind. Eine Frage, die mir bei dem „Previously on ‚Lost’“-Teil einfiel, will ich aber mal vorab aufwerfen: Warum sollte „Samuel“ überhaupt Christians Gestalt annehmen? Es ist ja eine weitverbreitete Theorie, dass Jacobs Gegner und/oder das Rauchmonster sich hinter Christians Erscheinung auf der Insel verstecken. Doch sind – zumindest nach unserem Wissenstand – Claire und Jack für „Samuel“ nicht von Interesse und mit Sun, John, Michael und Frank hätte er auch in seiner normalen Gestalt sprechen können. Selbst wenn es ihm bei Jack darum ging ihn so wieder auf die Insel zu locken, leuchtet weder ein, wie er das wenige Tage nach dem Crash schon hätte voraussehen können, noch warum er Locke gegenüber Christians Gestalt gebraucht hätte, um ihm zu erzählen, er sei Jacks Vater. Ich werde darauf, wenn wir auf Christian selbst zu sprechen kommen, noch mal näher eingehen, denn er wird uns heute durchaus noch beschäftigen.

Kommen wir nun aber zu: James Ford vs. Wildschwein – wahrlich ein Duell der Giganten, das nur von James Ford vs. Baumfrosch und Sayid Jarrah vs. Huhn übertroffen wird. Wir sehen zunächst also den Mord-Selbstmord von James’ Vater. Besonders heftig an dieser Szene ist wohl: Er geht, nachdem er seine Frau erschossen hat, direkt in das Zimmer seines Sohnes und erst, als er das Bett verlassen und das Zimmer scheinbar leer vorfindet, setzt er sich und bläst sich die Rübe weg – und zwar mit einer Schrothflinte: wie Sam Toomey und Stuart Radzinsky.

Sawyer erwacht Auge in Auge mit einem Wildschwein, seiner persönlichen Nemesis und – wie er später vermutet – der Reinkarnation von Frank Duckett. Da ich wie Sawyer auf Kosenamen stehe und ich dieses Schwein von den anderen abheben will, nenn ich es für den Rest dieser Review mal kurzerhand „Frankie“. Frankie durchwühlt also Sawyers Sachen und zieht dann samt Campingausrüstung von dannen. Wie kommt es aber nun dazu, dass Sawyer in einem nervigen Wildschwein seinen persönlichen Erzfeind sieht? Dazu müssen wir in die Rückblende gehen und in der ist ausnahmsweise mal Sawyer der, der hintergangen, betrogen und ausgenutzt wird und zwar von Hibbs. Bei der Story um Frank Duckett und Hibbs will ich mich mal nur auf die wirklich interessanten Details kümmern, denn den Rest kennen wir alle zu Genüge. Laurence mahnt Sawyer, als er sich die Waffe kauft: „I've been doing this for awhile and a man who buys a compact 357 with hollow point loads -- he's not looking to scare or steal. He's looking to kill. But when it comes down to it, if he finds he doesn't have what it takes to do the job... .“ (ich spar mir die Übersetzung, weil wirklich wichtig ist nur der markierte Part). Etwas ganz ähnliches sagt Christian Jack zum Thema Entscheidungen treffen und mit ihnen leben: „Because I have what it takes. Don't choose, Jack, don't decide. You don't want to be a hero, you don't try and save everyone because when you fail … you just don't have what it takes.“ („Weil ich es drauf habe. Triff keine Entscheidungen, Jack, wähle nicht. Du willst kein Held sein, versuch nicht, jeden zu retten, denn wenn du versagst, hast du es einfach nicht drauf.“).

Hibbs wiederum sagt zu Sawyer: „Besides, we both know you ain't the killing type.“ („Außerdem wissen wir beide, dass du kein Killer-Typ bist“) Vielleicht erinnert ihr euch, wem mal etwas ganz ähnliches attestiert wurde: John Locke. Und was die beiden letztlich verbindet ist Anthony Cooper, den beide gemeinsam töten werden. Hätte Sawyer gewusst, dass Duckett nicht der echte Sawyer ist, wäre der Mord an Cooper vermutlich sogar sein erster gewesen. Lockes erster Mord ist es in jedem fall und auch, wenn James Anthony Cooper letztlich umbringt, war James für John doch schon fast so etwas wie ein Werkzeug, die Mordwaffe.

Unwissend tötet James für Hibbs also einen Unschuldigen statt des echten Sawyers. Frank Ducketts letzte Worte verfolgen Sawyer dann aber bis auf die Insel: „It'll come back around.“ („Dafür wirst du büßen!“). Immer wieder hören wird diesen Satz sogar mit Ducketts Stimme gesprochen aus dem Flüstern heraus. Ja, da ist es nun wieder: Das Flüstern. Gerade diese Episode zeigt uns, das eigentlich nur zwei grundlegende Modelle in Frage kommen: Entweder Duckett ist tatsächlich in irgendeiner Form auf der Insel und verfolgt James ODER die Insel macht sich James’ Erinnerung zu nutze, um ihn auf einen Pfad der spirituellen Reinigung zu schicken. Ein Indiz dafür, dass die Insel über das Flüstern kommuniziert, ist eine der wenigen anderen Stellen, wo man das Flüstern mit bloßen Ohren verstehen kann: Als Ben seiner Mutter am Sonarzaun gegenübersteht, ist eine tiefe Männerstimme zu vernehmen (ähnlich jener in der Hütte), die aus dem sonstigen Stimmenwirrwarr heraussticht: „Ben, you are my prisoner and you are mine!“ („Ben, du bist mein Gefangener und du bist Mein!“)

Sawyer nimmt aber an, dass Frankie entweder Duckett selbst ist oder von ihm geschickt wurde. Daher geht er mit Kate auf die Jagd. Weder das Trinkspielchen noch irgendwelche Dialoge zwischen den beiden beinhalten irgendetwas, das für uns nach fünf Staffel noch sonderlich aufschlussreich wäre. Allerdings rückt das Trinkspiel das Leitmotiv dieser Folge klarer in den Vordergrund: Wie geht man damit um, jemanden getötet zu haben? Charlie versucht in der Inselhandlung mit seiner Tat fertig zu werden und erhält Beistand von Sayid. Sawyer hat zwar in der Rückblenden-Handlung gemordet, hat dies aber, weil der Crash nur wenige Stunden später war, noch nicht verarbeitet. Ihm leistet Kate Gesellschaft. Sowohl Kate als auch Sayid haben schon vor Jahren gemordet. Die „Outlaws“ dieser Folge sind nicht nur James und Kate, sondern auch Charlie, Sayid, Hibbs und sogar Frank Duckett. Die vier Erstgenannten gehen alle anders mit ihrer Tat um: Charlie zieht sich zurück, wird introvertiert und verteidigt sein Verbrechen. Sawyer lädt den Hass anderer auf sich, um für seine Tat zu sühnen, und will vermutlich sogar Duckett in dem Wildschwein wiedererkennen. So kann er sich vorgaukeln, seine gerechte Strafe zu erhalten. Kate verheimlicht ihre Tat, weil sie sich dessen schämt. Und Sayid? Der hat schon so viele auf dem Gewissen, dass er von seinen Taten erzählt, wie andere vom Brötchenholen.

Bestätigt wird Sawyer in seiner wahnwitzigen Idee dann von Locke, der morgens mal wieder aus irgendeinem Busch gestolpert kommt – der Mann steht halt auf starke Auftritte und die bekommt auf so einer Insel am ehesten, wenn alle denken im nächsten Moment, käme das Rauchmonster, King Kong oder mindestens Ross Anthony aus den Büschen gesprungen. Locke erzählt also seine Geschichte vom Golden Retriever, der im Bett seiner Schwester schlief. Wenn wir mal ein paar Folgen weiterdenken ist es doch lustig, dass ausgerechnet Kate besondere Skepsis an der Story ausdrückt. Denn auch Kate meint in einem Tier ihr Mordopfer wiederzuerkennen. Nur anders als Frankie ist Kates Pferd in keinster Weise feindselig. Lassen wir mal für einen Moment die Möglichkeit zu, dass alle drei Tiere tatsächlich das sind, was Lockes Steifmutter, James und Kate in ihnen sehen, dann würde das Verhalten durchaus passen: Kate tötete Wayne aus Verzweiflung – vielleicht hat er im Tod erkannt, was er ihr angetan hatte und versucht es wieder gutzumachen. Zumindest war Kates Mord an Wayne nachvollziehbarer als James’ Mord an Frank Duckett, denn dieser Mord basierte nur auf Vermutungen und traf einen Unschuldigen – folglich will er im nächsten Leben Rache nehmen. Der Golden Retriever wiederum möchte Lockes Steifmutter sagen, dass sie keine Schuld hatte. Aber die drei Fälle verbindet noch etwas: Sowohl Frankie, als auch das Pferd und der Golden Retriever wurden auch von dritten gesehen: Das Wildschwein ist für James und Kate gleichermaßen real. Das Pferd sehen sowohl Mars als auch Sawyer und da Locke von dem Golden Retriever berichtet, hat er ihn folglich auch gesehen.

Zu guter letzt will ich mich dann noch mal um die – wie ich finde – interessanteste Person dieser Folge kümmern: Christian Shephard. James trifft ihn in einer Bar in Sydney, wo beide dann gemeinsam einen trinken. Wie ich bereits erklärte, gehe ich davon aus, dass Christian bereits einmal auf der Insel war, vermutlich sogar einer der Anderen ist/war. Es wäre doch ziemlich logisch, wenn er bestimmte Personen für Jacob auf die Insel holen sollte, denn sein Tod führt Jack beim ersten Mal auf die Insel, so wie Johns Tod es beim zweiten Mal tun wird. Sawyers Weg aus der Bar führt ihn erst zu Duckett und später dann ins Flugzeug. Mit Claire wollte Christian unbedingt sprechen und war völlig verzweifelt, als ihm dies verwehrt wurde. Man hätte meinen können, sein Leben hinge davon ab, an jenem Abend mit Claire zu reden. Warum wohl? Hatte er einen Flug gebucht? Ana wiederum scheint er zu testen, behält sie im Auge, bleibt bei ihr. Ben selbst erklärt, Ana-Lucia sei ein Wackelkandidat gewesen und er sei mit Goodwin nicht einer Meinung gewesen, was sie beträfe.

Ferner macht Christian in der Bar einige zweideutige Bemerkungen: „You know why they call Australia down under, don't you? Because it's as close as you can get to hell without being burned.“ („Du weißt warum sie Australien ‚Down Under’ nennen“, oder etwa nicht? Weil du nicht näher an die Hölle ran kannst, ohne dich zu verbrennen!“). Vielleicht kann man aber auch nicht näher an einen anderen Ort rankommen, ohne sich zu verbrennen, was? Er wäre ja nicht der erste, der die Insel mit der Hölle vergleicht und in gewisser Weise trifft der Vergleich auch zu, denn die Insel ist ein Ort der Prüfungen und spirituellen Wandlung und je nachdem, ob man ein guter oder ein schlechter Mensch ist, kann sie Hölle oder Paradies sein. Über seinen Sohn sagt Christian: „He's a good man, maybe a great one. And right now, he thinks that I hate him. He thinks I feel betrayed by him. But what I really feel is gratitude, and pride because of what he did to me. What he did for me. It took more courage than I have. There's a pay phone over here. I could pick it up and I could call my son. I could tell him about all this. I could tell him that I love him. One simple phone call and I could fix everything.“ („Er ist ein guter Mann, vielleicht ein großer. Und jetzt gerade denkt er, dass ich ihn hasse. Er denkt, ich würde mich von ihm verraten fühlen. Aber was ich wirklich fühle, ist Dankbarkeit und Stolz für das, was er mir angetan hat. Was er für mich getan hat. Das brauchte mehr Integrität/Mut/Courage als ich jemals hatte! Da drüben steht ein Münztelefon. Ich könnte den Hörer abnehmen und meinen Sohn anrufen. Ich könnte ihm all das sagen. Ich könnte ihm sagen, dass ich ihn liebe. Ein einfacher Anruf und ich könnte alles wieder hinkriegen.“) Neben der offenkundigen Bedeutung, könnte hinter diesem Satz noch mehr stecken. Angenommen Christian wusste, was Jack und James erwartet, so könnte er all dies in der Hoffnung oder gar dem Wissen gesagt haben, dass es Jack erreicht. Sawyer sagt Jack es nicht, als er kapiert, dass er mit Jacks Vater gesprochen hat (Stichwort: Red Sox), doch er gesteht es ihm später. Hätte Jack nie erfahren, was sein Vater wirklich über ihn dachte, wäre er vermutlich nie auf die Insel zurückgekehrt, in der leisen Hoffnung seinen Vater wiederzusehen.

So, jetzt hab ich noch eine Notiz auf meinem Zettel und die betrifft die Waffe: Jack stellt es ja mal wieder so hin, las hätte er Sawyer eine Waffe geliehen und nicht zurückbekommen. Doch hatte Jack auch vor der Aktion mit Ethan nur vier Waffen, denn Sawyer hat „seine“ an Kate gegeben. So gesehen hat Sawyer eher ein Recht die Waffe zu behalten als jack eines hat sie einzufordern.

So, auch wenn dieser Bericht die Folge betrifft, die ich am Samstag geguckt habe, ist nun schon Montag. Ich denke, dass ich „Lost in Translation“ heute noch schaffe, doch dann brauch ich mal mindestens einen Tag Pause. Die drei Folgen, die dann kommen, sind meiner Meinung nach viel zu wichtig, um sie mal eben abzuhandeln und dadurch, dass Staffel 6 frühestens in der letzten Januarwoche startetet, sind wir mehr als gut in der Zeit.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Ein wenig Chaos

Hi,
bin heute zwar zum Gucken, aber nicht zum Schreiben gekommen. Ist alles etwas chaotisch bei mir daheim. Die neuen Reviews kommen alle so bald wie möglich.
Gruß,
Anubis2705